Es gibt drei verschiedene Instrumente, mit denen das Parlament den Bundesrat unter Druck setzen kann. In ihren Auswirkungen unterscheiden sie sich stark.
Der Brief – die freundliche Bitte
In der Vergangenheit haben verschiedenste Kommissionen beider Räte mit Schreiben an den Bundesrat operiert, in denen sie ihre Forderungen formulieren. Da das Parlament nur vier Mal pro Jahr zusammenkommt, bleibt ihm ausserhalb der Sessionen auch nichts anderes übrig. Die Schreiben haben keinen verbindlichen Charakter – es ist dem Bundesrat überlassen, ob er auf die Forderungen eingehen will.
Die Wirtschaftskommission des Ständerats möchte auch in der laufenden Session bei der Form des unverbindlichen Briefes bleiben. Mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sie ein Schreiben an den Bundesrat verabschiedet, in welchem sie die vollständige Öffnung von Restaurants, Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport bereits ab dem 15. März fordert.
Die Erklärung – der klare Wink
National- und Ständerat können zu «wichtigen Ereignissen» sogenannte «Erklärungen» an den Bundesrat beschliessen. Sie haben vor allem symbolischen Charakter, aber mehr Gewicht als Schreiben einzelner Kommissionen, da sie vom ganzen Rat verabschiedet werden. Allerdings sind auch «Erklärungen» für den Bundesrat nicht verbindlich – er muss die Forderungen nicht befolgen.
Der Nationalrat hat heute Morgen mit 97 zu 90 Stimmen bei 6 Enthaltungen eine solche «Erklärung» verabschiedet, mit der er den Bundesrat «dringlich» auffordert, Restaurants wie auch Betriebe in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport ab dem 22. März zu öffnen (also eine Woche später als im Brief der ständerätlichen Wirtschaftskommission verlangt).
Die Gesetzesänderung – unumstösslich
Das schärfste Instrument sind Anpassungen des Covid-19-Gesetzes. Kommissionen und auch einzelne Ratsmitglieder können sie beantragen. Beide Räte müssen den Anträgen zustimmen. Das geänderte Gesetz muss am letzten Sessionstag auch noch die Schlussabstimmung in beiden Räten überstehen. Vom Parlament beschlossene Gesetzesänderungen sind für den Bundesrat verbindlich. Er muss sie in jedem Fall umsetzen.
Die Mehrheiten der Wirtschafts- und der Gesundheitskommissionen des Nationalrates wollen zu diesem Instrument greifen. Die Wiedereröffnung von Restaurants sowie von Einrichtungen in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport ab dem 22. März soll im Gesetz verankert werden. Allerdings bliebe der Bundesrat nicht ganz ohne Spielraum: Die Mehrheit der nationalrätlichen Wirtschaftskommission will dem Bundesrat erlauben, die Schliessung von «Publikumseinrichtungen» wieder für maximal 90 Tage einzuführen, und zwar «in begründeten Ausnahmefällen». Der Bundesrat könnte gestützt darauf also zum Beispiel Restaurants wieder schliessen, sobald die Infektionszahlen deutlich ansteigen sollten.
Der Nationalrat berät am kommenden Montag über die beantragten Gesetzesänderungen. Im Ständerat, der das Covid-19-Gesetz bereits morgen debattiert, liegen bis zur Stunde keine Anträge für solche verbindlichen Öffnungsschritte vor.