Auf den Schweizer Skipisten steigt das Tempo an. Manche Skifahrer sind so schnell unterwegs wie ein Auto auf der Autobahn. Das zeigt eine neue Studie der Unfallversicherung Suva. Demnach sind 75 Prozent der Skifahrer über 50 Kilometer pro Stunde unterwegs, jeder Fünfte sogar über 70 Kilometer pro Stunde. Und die Mutigsten überschreiten regelmässig 100 Kilometer pro Stunde.
«Den Leuten ist oft nicht bewusst, wie schnell sie unterwegs sind und unterschätzen ihr Tempo», sagt Samuli Aegerter von der Suva. Der Schneesportexperte steht auf einer Skipiste beim Titlis in Engelberg und misst die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Schneesportlerinnen und -sportler.
Einer der wenigen, der seine Geschwindigkeit nicht unterschätzt, ist Andy Haller. Mit 80 Kilometer pro Stunde war er auf der Piste unterwegs. «Ich fahre nur so schnell, wenn ich niemanden vor mir habe. Das geht gut über die Mittagszeit, dann sind alle am Essen», sagt Haller. Er fühle sich sicher auf den Ski und habe noch nie einen Unfall mit anderen gehabt.
Rund 380'000 Pistenfahrten hat die Suva zwischen 2019 und 2023 analysiert. Im Vergleich zu den Skifahrern sind die Snowboarder vorsichtiger unterwegs. Vier von zehn Snowboardern fahren unter 50 Kilometer pro Stunde. Nur bei jeder zehnten Abfahrt wurden Spitzengeschwindigkeiten von über 70 Kilometer pro Stunde gemessen.
Interessant: An der Studie haben mehrheitlich Männer über 45 Jahre aus der Deutschschweiz teilgenommen, die eher Ski als Snowboard fahren und sich selbst als gute bis hervorragende Fahrer bezeichnen.
Kunstschnee und breitere Pisten
Doch weshalb fahren Schweizerinnen und Schweizer immer schneller auf den Pisten? Laut Fachleuten gibt es dazu mehrere Gründe: Zum einen werden die Pisten immer breiter und besser präpariert, zum anderen sorgt der Kunstschnee für harte und schnelle Pisten. Auch dass immer mehr Skifahrer einen Helm tragen und Carvingski durch die technische Entwicklung besser zu handhaben sind, führt zu einer höheren Geschwindigkeit auf den Pisten.
Trotzdem gebe es in den Schweizer Skigebieten nicht mehr Unfälle, sagt Aegerter. Hingegen würden die Unfallstärke, die Unfallkosten sowie die Mehrfachverletzungen zunehmen. Den Grund sieht Aegerter ebenfalls in den veränderten Bedingungen mit Kunstschnee und leichterem Material.
Über 90 Prozent der Unfälle sind Selbstunfälle. Bei den Skifahrern gibt es neun Prozent Kollisionsunfälle, bei den Snowboardern sind es vier Prozent. «Diese Unfälle sind oft schwerwiegender, weil man mit einem Körper zusammenstösst und Material im Spiel ist», so Aegerter.
Wenig fit und schnell unterwegs
Die Ursachen für die Unfälle seien verschieden. Überhöhte Geschwindigkeit, mangelnde Konzentration oder auch mangelnde Fitness könnten Gründe sein, sagt Aegerter. «Die Leute sind am späteren Nachmittag oft müde und nicht mehr so belastbar.»
Wir beobachten aber, dass das grösste Risikoverhalten die jungen Männer an den Tag legen.
Wer am meisten von Unfällen betroffen sei, lässt sich laut Aegerter nicht sagen. Unfälle gebe es in allen Altersgruppen – sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. «Wir beobachten aber, dass das grösste Risikoverhalten die jungen Männer an den Tag legen.»
Schnell fahren sei an sich kein Problem. Man müsse aber die Geschwindigkeit im Griff haben und genügend Raum lassen, um rechtzeitig bremsen zu können, so Aegerter.