Heute vor zwei Jahren haben Stimmvolk und Stände eine Volksinitiative angenommen, die verhindern soll, dass Kinder und Jugendliche mit Tabakwerbung in Kontakt kommen. Jetzt berät das Parlament die Umsetzung der Initiative. Und die Initianten sind nicht zufrieden. Konkret sehen die Umsetzungsvorschläge gar Lockerungen vor, die ein Rückschritt hinter die jetzt schon geltenden Regeln bedeuten würden.
Werbeverbot vs. Wirtschaftsfreiheit
In der Verfassung steht seit dem Volks-Ja: Der Bund «verbietet namentlich jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht.» Der Bundesrat machte dazu einen Umsetzungsvorschlag. Einschränkungen bei der Online-Werbung etwa, keine Werbung an Festivals, ein Werbeverbot in Zeitungen.
Dem Ständerat ging das zu weit. Mit Hinweis auf die Wirtschaftsfreiheit beschloss er Lockerungen. Das Sponsoring von Festivals oder etwa die direkte Ansprache durch mobiles Verkaufspersonal sollte gestattet bleiben.
Das kann ich so nicht einfach hinnehmen, das ist unanständig.
Für den Vater der Initiative, Alt Ständerat Hans Stöckli, geht die diskutierte Umsetzung der Initiative eindeutig am Wunsch des Stimmvolkes vorbei. «Das kann ich so einfach nicht hinnehmen», kommentiert Stöckli die Vorschläge, «das ist unanständig». Man wisse, dass Kinder und Jugendliche durch Werbung verführt würden.
Auch beim Bundesamt für Justiz (BJ) läuten die Alarmglocken angesichts der geplanten Lockerungen. Im Gutachten der Juristen steht klar: Das ist nicht mit dem Volksentscheid vereinbar.
Anders sieht das SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Für ihn ist weder das Bundesamt für Justiz noch das BAG (Bundesamt für Gesundheit) die geeignete Instanz, um in dieser Sache neutral zu urteilen. Die Verwaltung stehe hier auf der Seite der Initianten, sagt Glarner.
Kinder lesen keine Zeitung
Auch die Gesundheitskommission des Nationalrats hat sich für den weicheren Umsetzungsvorschlag entschieden. In den meisten Zeitungen dürfte weiter Werbung platziert werden. Das Argument hier ist so einfach wie bestechend: Zeitungen würden meistens von Erwachsenen gelesen, Tabakwerbung würde Kinder und Jugendliche dort also gar nicht erreichen. Auf ein totales Werbeverbot sei deshalb im Sinne der Verhältnismässigkeit zu verzichten
Das ist eine rote Linie, die man nicht überschreiten darf.
Die Initianten widersprechen. Das Stimmvolk hätte bei seinem Ja gewusst, dass die konsequente Umsetzung der Initiative negative Folgen für die Tabakindustrie und auch für Festivals zeitigen wird, argumentiert etwa Staatsrechtler Thomas Gächter. Er hat damals den Initiativtext für die Initianten formuliert.
Vor allem der Werbebegriff werde vom Parlament viel enger gefasst, und das gehe dann eigentlich hinter den Zustand der heutigen Regelung zurück. Das sei gegenüber dem Willen der Stimmbevölkerung ein klarer Rückschritt und kein Fortschritt. «Das ist eine rote Linie, die man nicht überschreiten darf.»
Für die Initianten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Würden die Regelungen am Ende tatsächlich gelockert, sagen die Initianten, dann gäbe es immer noch die Möglichkeit, per Referendum die Umsetzung zu bekämpfen. Das Stimmvolk habe sich schon einmal für schärfere Regelungen ausgesprochen.
Hans Stöckli sagt dazu: «Die Drohung ist nicht meine politische Waffe, sondern die Hoffnung auf eine korrekte Umsetzung.» Darum würden sie auch in Zukunft genau beobachten, was im Parlament geschieht.