Die Statistik des Bundes zeigt, dass mehr Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt werden. Das heisst nicht unbedingt, dass mehr Frauen von ihren Partnern misshandelt werden – offenbar melden sich viele Opfer eher als früher.
Trotzdem sei noch viel zu tun, um das Problem der häuslichen Gewalt in den Griff zu bekommen, sagt Susan A. Peter von der Stiftung Frauenhaus Zürich.
SRF News: Warum kehren viele Frauen, die vor der Gewalt ihres Partners in ein Frauenhaus geflüchtet sind, schon nach ein paar Tagen oder Wochen wieder nach Hause zurück?
Susan A. Peter: Viele Frauen geraten in eine ambivalente Situation. Sie sind vor der Gewalt ihres Partners in ein Frauenhaus geflüchtet, werden dann aber durch Signale des Mannes, sich verändern zu wollen und beispielsweise zu einer Gesprächstherapie bereit zu sein, verunsichert. Es wird so die Hoffnung geweckt, dass sich die gewalttätige Beziehung verändern lassen könnte. Wir stellen auch immer wieder fest, dass in unserer Gesellschaft die Beziehung, die Familie und allenfalls Kinder eine sehr grosse Rolle spielen.
Spielen dabei auch finanzielle Überlegungen eine Rolle?
Tatsächlich spielen neben der Scham, der Angst und der Ambivalenz auch der gesetzliche Rahmen sowie die Finanzierungsstrukturen eine grosse Rolle. In den ersten 21 Tagen im Frauenhaus gewährleistet das Opferhilfegesetz die Finanzierung, anschliessend ist meist die Wohngemeinde der Klientin dafür zuständig. Nicht alle Gemeinden sind bereit, einer Frau beispielsweise einen zweiten Aufenthalt in einem Frauenhaus zu finanzieren.
Welche Möglichkeiten hat ein Frauenhaus, um zu verhindern, dass eine Frau zu einem offensichtlich gewalttätigen Mann zurückkehrt?
Wesentliche Bestandteile sind Aufklärung, Beratung und Information. Wir versuchen einer Frau auch aufzuzeigen, dass sie sich sehr gut überlegen muss, auf welche Angebote ihres Partners sie einsteigt. Im Kontakt mit den Gemeinden sind wir auch bemüht aufzuzeigen, dass sich eine Investition jetzt lohnt – denn was später und längerfristig an Hilfestellung nötig ist, macht die Sache immer teurer.
Auch Kinder sind mit betroffen – und von häuslicher Gewalt gezeichnet.
Mit Müttern werden auch Kinder in Frauenhäusern aufgenommen. Welche Unterstützung erhalten sie?
Die Kinder sind immer direkt oder indirekt von der Gewalt zu Hause betroffen. Sie sind davon auch gezeichnet – sei es körperlich oder durch ein emotional oder kognitiv auffälliges Verhalten. Wir versuchen in diesen Fällen mit spezialisierten Traumata-Fachstellen ein nachhaltiges Unterstützungsangebot aufzubauen. Das ist nötig, damit die Kinder ein Korrektiv bekommen und erfahren, dass sie mit ihren Ängsten und Bedürfnissen ernst genommen werden.
Die Schweiz hat den Auftrag, umfassende Massnahmen gegen Gewalt an Frauen zu ergreifen.
Frauenhäuser sind oft überlastet, die Finanzierung ist nicht immer gelöst. Wer ist in der Pflicht, diese Umstände zu verbessern?
Seit letztem Jahr gilt auch in der Schweiz die Europarats-Konvention gegen Gewalt an Frauen, die «Istanbul-Konvention». Sie nimmt ganz klar den Staat in die Pflicht. Die Schweiz hat also einen Auftrag erhalten, umfassende Massnahmen zu ergreifen, um das zunehmende Problem der Gewalt an Frauen in den Griff zu bekommen. Vor allem die Präventionsarbeit steckt noch in den Kinderschuhen. Entsprechend braucht es umfassende öffentliche Angebote, die aufzeigen, wie früh interveniert werden könnte, damit sich keine Situation entwickelt, in der Gewalt an Frauen chronisch über Jahre stattfindet.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.