- Am Mittwochmorgen steht die Wahl oder Abwahl von Michael Lauber als Bundesanwalt auf der Traktandenliste der Bundesversammlung.
- Im letzten Moment hat die SP-Bundeshausfraktion Lauber zu einer Anhörung eingeladen. Eine knappe Mehrheit will ihm die Stimme geben.
Am Morgen zeigten sich manche SP-Vertreter überzeugt, dass sich eine deutliche Mehrheit ihrer Fraktion gegen Michael Lauber aussprechen werde. Doch kurz vor 17 Uhr verkündete die SP per Tweet, eine knappe Mehrheit sei für dessen Wiederwahl. Das Resultat war so knapp, dass Fraktionschef Roger Nordmann danach nicht einmal für Interviews zur Verfügung stehen wollte.
Vor der Fraktionssitzung waren manche SP-Parlamentarier noch gesprächiger. Etwa Ständerat Daniel Jositsch: «Das ist eine Wahl, bei der man sich überlegen muss: Ist Herr Lauber die geeignete Person für das Amt? Die grundlegenden Probleme der Bundesanwaltschaft müssen wir nachher ansehen.»
In der Gesamtabwägung ist die Institution wichtiger als die Person.
Andere argumentieren mit der Institution, der Thurgauer SVP-Ständerat Roland Eberle zum Beispiel. Seine Fraktion sprach sich bereits vor einer Woche mehrheitlich für eine Wiederwahl Laubers aus: «Es geht um die Institution der Bundesanwaltschaft, wenn man die jetzt demontiert, in dem man einen Kopf wegschlägt, dann leidet die gesamte Justizinstitution in der Schweiz und die oberste Strafverfolgungsbehörde wird massiv geschwächt.»
Abwahl würde Institution schwächen
Was aber ist mit Laubers Verfehlungen? «Es sind Unschönheiten», so Eberle. «In der Gesamtabwägung ist die Institution wichtiger als die Person.» Jositsch pflichtet ihm bei, sieht das Ganze aber differenzierter: «Eine Nichtwiederwahl würde die Institution sicher schwächen. Eine sehr knappe Wahl aber auch.» Es sei eine unangenehme Situation. «Die Bundesanwaltschaft wird sicher nicht mit einem besseren Image aus dieser Wahl herausgehen. Aber unmittelbare Auswirkungen hat das nicht.»
Die Bundesanwaltschaft wird sicher nicht mit einem besseren Image aus dieser Wahl herausgehen.
Jositsch, der Strafrechtsprofessor, will also nicht dramatisieren. Vor allem aber sagt er, auch eine Wiederwahl bedeute keineswegs, dass dann wieder alles gut sei. Dieser Meinung ist auch CVP-Präsident Gerhard Pfister; niemand wisse, ob nach dem Fifa-Verfahren nicht neue Ungereimtheiten auftauchen.
So verfügten viele Parlamentarier lediglich über ein Halbwissen, gibt er offen zu: «Institutionell schwierig an der Sache ist, dass die meisten Parlamentarier ihr Wissen über die Sachlage vor allem aus Medienberichten und aus Hearings haben, und dass da viel PR-Arbeit geleitet wurde von verschiedenen Seiten.»
Das mache die Urteilsfindung für den einzelnen Parlamentarier schwierig, so Pfister. Er selbst sagt nicht, ob er Lauber wiederwählen wird. Seine Kritik am Bundesanwalt ist aber unüberhörbar, vor allem wenn er auf das Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino angesprochen wird: «Es ist schwer zu akzeptieren, dass alle, die an diesen Treffen dabei waren, sich nicht mehr daran erinnern können, und dass der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, dass dabei zumindest versucht wurde, den Bundesanwalt zu instrumentalisieren.»
Fazit: Die SP, die FDP und die SVP sprechen sich mehrheitlich für Lauber aus, die Grünen, die Grünliberalen und die CVP haben Stimmfreigabe herausgegeben. Für Pfister ist damit aber noch nicht alles klar: «Der Ausgang ist absolut offen. Ich glaube nicht, dass sich die Fraktionsmitglieder an die offiziellen Kommunikationen gebunden fühlen.» Möglich also, dass Lauber, trotz mehrheitlicher Parolen für ihn, nicht wiedergewählt wird.