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Therapie mit dem Smartphone Wo die KI in der Psychotherapie helfen kann – und wo nicht

Immer dabei, immer bereit, zuzuhören – und das erst noch kostenlos: Ist das Handy der ideale Psychotherapeut? Fachleute in der Schweiz sehen aufgrund des Fachkräftemangels Potenzial, warnen aber auch davor, der KI zu viel zuzutrauen.

Psychische Krankheiten gehören zu den häufigsten in der Schweiz – jährlich ist laut dem Bundesamt für Gesundheit BAG bis zu einem Drittel der Bevölkerung betroffen. Doch die Suche nach Unterstützung gestaltet sich oft schwierig, die Wartezeit für einen Therapieplatz beträgt meist Monate, teils sogar Jahre. Besonders gravierend ist der Mangel bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen.

Es ist naheliegend, dass gerade junge Menschen, die bereits bei Alltagsthemen mit Chatbots wie ChatGPT einen immer verfügbaren Ansprechpartner haben, dort auch bei psychischen Dingen Rat suchen und sich einer KI anvertrauen.

Potenzial – aber auch Gefahr

Grundsätzlich liege in solchen Chatbots im Bereich der Therapie viel Potenzial, sagt Sang-Il Kim, Dozent für Medizininformatik an der Berner Fachhochschule. Sie würden die Möglichkeit bieten, Hilfe zu holen oder Informationen zu besorgen, wenn echte Therapeutinnen und Therapeuten aufgrund des Fachkräftemangels nicht verfügbar seien.

Person hält ein Smartphone in der Hand.
Legende: Das Smartphone ist immer greifbar, Psychotherapieplätze sind rar. Dennoch: Künstliche Intelligenz dürfte die Psychotherapie zwar verändern – ersetzen kann sie diese aber nicht. KEYSTONE/KARL-JOSEF HILDENBRAND

Auch Gregor Berger, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Uniklinik Zürich, sieht darin eine Chance, dass sich Leute therapeutischen Rat holen, welche sonst nicht in Behandlung gehen würden. Berger warnt allerdings davor, Chatbots als erste Anlaufstelle bei psychischen Problemen zu nutzen. Zu oft würden die Bots falsche Angaben machen, mit möglicherweise gravierenden Folgen.

Kein Ersatz, aber eine Ergänzung

KI könne die Symptome von psychischen Krankheiten sogar noch verstärken. Mit einem virtuellen Partner könne es passieren, dass man sich noch stärker aus der realen Welt zurückziehe, so Berger. Und der soziale Rückzug sei meist ein aufrechterhaltender Faktor der Krankheit.

Auch wenn die Künstliche Intelligenz als Therapieersatz nicht tauge, könne sie als Ergänzung künftig durchaus nützlich sein, so Gregor Berger weiter. Patientinnen und Patienten könnten Therapien, die in der Sitzung geübt wurden, zu Hause vertiefen, zum Beispiel in der Traumatherapie: «Dass man eben mit dem Chatbot über die dramatischen Erlebnisse weiter spricht, wie man es mit dem Therapeuten gemacht hat.»

KI in der Psychotherapie

Ein weiteres Anwendungsgebiet könnte auch die Aktivierungstherapie sein. KI könnte bei Menschen mit Depressionen hilfreich sein, damit Betroffene am Morgen aufstehen, sich anziehen und gewisse Aufgaben bewältigen können.

Unterstützung für Therapeutinnen und Therapeuten

In Zukunft könnte KI aber auch die Therapeutinnen und Therapeuten unterstützen, etwa bei der Diagnose. Zurzeit werde beispielsweise an KI-Modellen geforscht, die mögliche psychische Erkrankungen frühzeitig erkennen können, sagt Sang-Il Kim. Die Mimik oder die Sprache eines Menschen können einer App Hinweise auf ein mögliches psychisches Problem geben.

Bis solche Modelle aber tatsächlich in der Praxis angewandt werden, dürfte es noch einige Jahre dauern, ist Sang-Il Kim überzeugt. Und er hält fest: Sowohl in der Diagnostik als auch bei KI als Therapieunterstützung brauche es Regulierungen zur Qualitätssicherung. Dies ist bei den aktuellen Chatbots noch nicht der Fall.

Rendez-vous, 31.3.2025, 12:30 Uhr;stal

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