Wir ekeln uns vor ihnen. Ärgern uns, wenn sie sich am Salat gütlich tun. Kinder sammeln ihre Häuschen. Nun ist die Hainschnirkelschnecke Tier des Jahres 2025. Ausgerechnet!
SRF News: Sie sind Weichtierexpertin im Naturhistorischen Museum Bern. Vier Millionen Häuschen und Schnecken lagern hier im Archiv – auch einige Exemplare der Hainschnirkelschnecke.
Estée Bochud: Schnirkelschnecken sind «die Schnecken», in jeder Hecke, im Wald oder Garten zu finden. Sie ist eine der farbenreichsten Arten, die wir in ganz Europa haben. Sie trägt ein kugeliges, glattes Häuschen, rund zweieinhalb Zentimeter gross, gelb, rosa, beige oder bräunlich. Das Häuschen kann einfarbig sein oder bis zu fünf bräunliche Bänder tragen.
Woher kommen die verschiedenen Farben?
Wichtig ist der Schutz gegen Feinde: Auf einer braunen Fläche ist ein gelbes Häuschen für Fressfeinde auffällig. So haben dort vor allem braune Exemplare überlebt und sich vermehrt.
Faszinierend ist, dass sie nie den Boden berühren.
Hingegen absorbieren braune Häuschen mehr Wärme. So sind auf offenen, warmen Flächen gelbe Häuschen häufiger.
Sie werden zum Teil sehr alt, Weinbergschnecken bis zu 20 Jahre, Hainschnirkelschnecken können sechs Jahre alt werden, und sie sind recht sicher unterwegs?
Es ist ein Klassiker, den Kindern zu zeigen, wie die Schnecke über eine Rasierklinge läuft. Sie sind langsam, aber sie machen es gut, denn sie existieren seit 500 Millionen Jahren. Faszinierend ist, dass sie nie den Boden berühren, da sie Schleim produzieren, um darauf zu kriechen. So können sie jede Oberfläche passieren.
Können sie miteinander kommunizieren?
Sie können ihre Spuren lesen. Anhand des Schleimes wissen die Schnecken, ob eine eigene oder eine fremde Art durchgekrochen ist. Dies ist wichtig, da es auch Schnecken gibt, die andere fressen. Auch die Richtung können die Schnecken anhand der Spur ablesen. Werden sie bedroht, bleiben sie in Deckung, verkriechen sich im Gebüsch.
Wer einen Garten hat, ist versucht zu sagen, je weniger Schnecken es hat, umso besser…
40 Prozent der Schneckenarten stehen auf der Roten Liste, sind also bedroht. Sie können, wenn der Lebensraum gestört wird, nicht schnell an einen anderen Ort ausweichen. Es gibt beispielsweise eine Art, die lebt an einem Felsen im Simplongebiet. Wenn nun dort gearbeitet wird, ist diese Art verschwunden.
Was fehlt, wenn die Schnecken weg sind?
Es ist ein wichtiges Komposttier. Die Hainschnirkelschnecke frisst gerne abgestorbenes Pflanzenmaterial, bringt durch ihren Kot die Nährstoffe wieder in den Boden. Die Schnecken sind eine unterrepräsentierte Gruppe. Die Insekten sind die grösste Gruppe, aber die Gruppe der Weichtiere, auch der Schnecken, ist die zweitgrösste.
Ich bin froh, dass nun eine Schnecke das Tier des Jahres ist, denn es zeigt die Verbindung zum Boden: Man spricht immer vom Lebensraum, der bedroht ist, aber der Boden geht da meist vergessen. Zwei Drittel aller Arten, die man weltweit kennt, leben im Boden. Und auf dem Boden basiert alles: die ganze Landwirtschaft, jede Pflanze, die wächst.
Das Gespräch führte Karoline Arn.