«Es ist extrem dieses Jahr», sagt Astrid Becker. Im Schnitt jeden Tag wolle jemand im Tierheim in Untersiggenthal einen Hund oder eine Katze abgeben. Auch direkt nach Corona seien es nicht so viele gewesen, meint die Vereinspräsidentin des Aargauischen Tierschutzvereins.
Während der Pandemie haben viele Menschen ein Haustier angeschafft. Ob die vollen Tierheime immer noch eine Corona-Nachwirkung sind, kann Becker nicht sagen. Aber: «Die Leute überlegen sich zu wenig, wenn sie ein Tier kaufen.» Der kleine Jagdhund wächst. Er braucht Betreuung und Ausbildung, das kostet Geld und Zeit. Eingen sei das zu viel. «Und dann muss er weg.»
Kein Platz für alle Tiere
16 Hunde hat das Tierheim in Untersiggenthal dieses Jahr bereits aufgenommen. Anfragen gebe es aber viel mehr, erklärt Astrid Becker. Sie müsse oft Tiere ablehnen, weil das Heim zu wenig Platz oder Personal habe. «Wir schauen, dass es jenen Hunden gut geht, die wir bereits haben. Darum müssen wir leider auch nein sagen.»
Gleiches gilt für Katzen. Viele kommen auf die Warteliste – ausser bei einem Notfall. Etwa dann, wenn die Besitzerin gestorben ist. Der Aargauische Tierschutzverein nimmt auch Findeltiere auf, die ausgesetzt oder von den Behörden beschlagnahmt wurden.
Helfen bei gefundenen Tieren würde ein Chip mit Angaben des Besitzers. Bei Hunden ist dieser obligatorisch, bei Katzen freiwillig. Laut Astrid Becker ist nur ein Drittel der Katzen gechippt.
Maximal ein Jahr im Heim
Im Durchschnitt dauert es rund 50 Tage, bis eine Heimkatze ein neues Zuhause gefunden hat. Bei kranken oder älteren Tieren geht es länger. Aber auch diese seien nicht länger als ein Jahr im Tierheim, so die Vereinspräsidentin. Dann kommen sie an einen Pflegeplatz. Die Katze wohnt so bei jemandem, bleibt aber im Besitz des Heims. «Wir bezahlen etwa die Kosten für den Tierarzt, haben dann aber auch ‹den Finger drauf›.»
Im Heim in Untersiggenthal leben aktuell 70 Katzen, 12 Hunde, einige Ratten und Meerschweinchen. Die Hunde dürfen im Rudel nach draussen. «Im Gehege sind die Alten zusammen und die Kleinen zusammen. Wir schauen, welche miteinander auskommen.»
Sind die Hürden zu hoch?
Wer einen Hund aus dem Tierheim bei sich aufnehmen will, wird eingehend geprüft. Es finden mehrere Treffen statt. Wenn die Chemie nicht stimmt, bleibt das Tier im Heim.
Zum Teil wird kritisiert, die Hürden seien zu hoch, um einen Hund aus dem Tierheim zu erhalten. Astrid Becker verneint. Es gehe immer um das Tierwohl. «Jemand mit einer Zweizimmerwohnung erhält keinen Herdenschutzhund. Der braucht Platz.»
Auch wenn das Heim voll oder überlastet ist, würden nicht mehr Tiere weitergegeben. Man schläfere alte oder kranke Tiere auch nicht einfach ein. «Am Samstag mussten wir eine Findelkatze erlösen, deren Nieren versagt haben. Wenn ein altes Tier aber beispielsweise Tabletten braucht, ist dies noch lange kein Grund, es einzuschläfern.»
Kastration, Chip und Kurs
Was aber tun, damit weniger Tiere ins Heim kommen? Für die Präsidentin des Aargauischen Tierschutzvereins gibt es mehrere Möglichkeiten. Astrid Becker plädiert für eine Pflicht zur Kastration, zum Chippen und zum Registrieren – auch wenn dies bereits viele Tierhalterinnen und -halter freiwillig täten.
Ein weiterer Punkt: obligatorische Hundekurse, wie es sie von 2008 bis 2016 gab. Neuhalterinnen und -halter mussten einen Sachkundenachweis erbringen. Seit 2017 gibt es keine nationale Regelung mehr.