Die 19-jährige Yelyzaveta Rysiuk ist Anfang Jahr aus der Ukraine geflüchtet. Nach einem Aufenthalt in einer kantonalen Asylunterkunft ist sie nun bei Familie Glück in Olten untergekommen. Die junge Frau ist sehr froh darüber.
«In der Unterkunft waren wir fünf Leute in einem Raum. Die Unterkunft ist auf einem Berg, und wir konnten nur einmal pro Woche ins Tal», erzählt sie. Das Leben bei der Familie von Susanne Glück in Olten gefällt ihr viel besser. Doch immer weniger Flüchtlinge kommen in Gastfamilien unter, wie Recherchen von SRF zeigen.
Weniger Gastfamilien in der Deutschschweiz
So sind im Aargau aktuell noch rund 1500 Flüchtlinge bei Gastfamilien untergebracht. Im Mai 2022 waren es mehr als doppelt so viele. Im Kanton Bern ist der Rückgang noch eindrücklicher: Über 4000 Flüchtlinge wohnten im Mai 2022 bei Gastfamilien, inzwischen sind es nur noch gut 1300.
Im Kanton Solothurn lebt aktuell rund ein Viertel der Geflüchteten aus der Ukraine bei Gastfamilien, also 25 Prozent. In Zürich sind es rund 20 Prozent, in Luzern nur rund 10 Prozent. Vor einem guten Jahr waren laut der Flüchtlingshilfe bis zu 65 Prozent aller ukrainischen Flüchtlinge noch in Familien.
Die sinkende Tendenz bestätigen auch Fachpersonen wie Fabienne Notter, Geschäftsführerin von Caritas Aargau: «Zu Beginn suchten vor allem Frauen und Kinder Schutz in der Schweiz. Inzwischen sind es mehr vulnerable Personen, verletzte, kranke und ältere Menschen aus der Ukraine. Oder auch grössere Familien. Diese kann man schlecht bei Gastfamilien unterbringen.» Die Hilfsorganisation Caritas hat deshalb in mehreren Kantonen die Betreuung von Gastfamilien aufgegeben.
Flüchtlingshilfe: Das «Modell Gastfamilie» funktioniert
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe registriert, dass weniger Flüchtlinge aus der Ukraine bei Gastfamilien leben. Dies habe damit zu tun, dass aktuell weniger Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz kommen und es nicht mehr akut an Platz für sie fehle. Es bedeute aber sicher nicht, dass das Modell «Gastfamilie» nicht funktioniere. Im Gegenteil: Einzelne Kantone platzieren inzwischen auch Flüchtlinge aus anderen Ländern in Gastfamilien.
Zum Beispiel der Kanton Waadt. Die Integration von Flüchtlingen funktioniere in einer Familie besser als in einer Asylunterkunft, heisst es hier. «Man sieht, dass sich die Leute viel schneller an die Sitten und Gebräuche gewöhnen. Das zeigt sich auch darin, dass die Menschen leichter einen Ausbildungsplatz finden. Die Gastfamilien helfen ihnen, ein Netzwerk aufzubauen», sagt Simon Aladjem vom Amt für Flüchtlingsbetreuung.
Das Amt unterstützt die Gastfamilien mit einem Team aus 14 Personen. Denn es ist klar: Einen Menschen aus einem anderen Kulturkreis in der eigenen Familie aufzunehmen, das ist nicht immer einfach. In der Waadt verpflichten sich Gastfamilien jeweils für mindestens ein halbes Jahr.
«Die meisten Leute sagen mir, sie könnten das nicht», sagt Gastmutter Susanne Glück in Olten. «Die Leute sagen, sie müssten sich zurückziehen können, sie fühlten sich gestört. Für uns ist das kein Problem, wir können das.»