Die Umweltverantwortungsinitiative geht aus der Defensive in den Abstimmungskampf für den 9. Februar 2025.
Derzeit wird sie von einer relativen Mehrheit von 49 Prozent abgelehnt. Erfahrungsgemäss verlieren Initiativen bis zum Urnengang weiter an Zustimmung.
Viele Befragte anerkennen den Problemdruck, fürchten sich aber vor einem Wohlstandsverlust, sollte die Initiative angenommen werden.
Vor vier Jahren sorgte die Konzernverantwortungsinitiative für ein mittelschweres Politbeben. Sie holte das Volksmehr, scheiterte aber am Ständemehr. Die Konzerne, die in die Verantwortung genommen werden sollten, hielten am Abstimmungssonntag den Atem an.
Am 9. Februar kommt nun eine Initiative zur Abstimmung, die «die Profiteurinnen und Profiteure der Umweltzerstörung zur Verantwortung ziehen will», wie es die Jungen Grünen schreiben. Mit ihrer Umweltverantwortungsinitiative verlangen sie einen Wandel hin zu einer Wirtschaft, welche die Lebensgrundlagen nicht gefährdet.
Das will die Umweltverantwortungsinitiative
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Die Schweiz darf nur so viele natürliche Ressourcen nutzen und Schadstoffe freisetzen, dass
die Lebensgrundlagen der Menschheit
nicht gefährdet werden. Heute wären laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) drei Erden nötig, wenn alle so leben würden wie die Schweizer Bevölkerung.
Als Massstab dienen die sogenannten
«planetaren Grenzen»
. Das Konzept einer Forschungsgruppe rund um den schwedischen Forscher Johan Rockström umfasst verschiedene Bereiche. Namentlich gelten soll die Bestimmung in der Schweiz für die Bereiche Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreinträge.
Innerhalb von
zehn Jahren
nach Annahme der Initiative müsste diese Vorgabe eingehalten sein. Um das zu erreichen, bräuchte es einen
grundlegenden Wandel
in der Wirtschaft und der Gesellschaft. Dieser Wandel soll gemäss Initiative
sozialverträglich
sein.
In der ersten SRG-Umfrage deutet aber wenig auf einen erneuten Abstimmungskrimi hin. «Es ist eine schwierige Ausgangslage, die Initiative startet aus der Defensive», sagt Martina Mousson vom Forschungsinstitut GFS Bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat.
Wenn eine Initiative mit unter 50 Prozent Zustimmung startet, stehen die Vorzeichen schlecht.
Dabei beträgt der Vorsprung des Nein-Lagers derzeit nur vier Prozentpunkte. Das Problem: Volksinitiativen geniessen oft Anfangssympathien, dann aber rücken ihre vermeintlichen Schwächen in den Fokus. Das Phänomen zeigte sich etwa auch bei der Konzernverantwortungsinitiative und der Initiative für eine «Grüne Wirtschaft» von 2016:
«Wenn eine Initiative mit unter 50 Prozent Zustimmung startet, stehen die Vorzeichen schlecht», schätzt die Politologin. Auch die Befragten gehen davon aus, dass sie einen schweren Stand haben dürfte: Derzeit rechnen 81 Prozent mit einem Nein.
Problem erkannt...
Im links-grünen Lager verzeichnet die Initiative sehr hohe Zustimmungswerte. Auch die GLP-Basis zeigt Sympathien – obwohl die Mutterpartei die Initiative im Parlament abgelehnt hatte. Im bürgerlichen Lager formiert sich allerdings geschlossener Widerstand.
Die Umfrage zeigt: Nachhaltigkeit und Umweltschutz beschäftigen nach wie vor viele Menschen. So sorgen sich viele Befragte, dass die Lebensgrundlagen bald erschöpft sind, wenn wir unseren Ressourcenhunger nicht zügeln. Zudem solle die Schweiz auch Verantwortung für Umweltschäden übernehmen, die sie im Ausland verursacht.
...doch die Ängste überwiegen
«Diesen Argumenten stehen aber ebenso relevante Zweifel gegenüber», sagt Mousson. So warnt die Gegnerschaft erfolgreich davor, dass die Ziele der Initiative nur mit massivem Wohlstandsabbau realisierbar seien. Und die Vorlage fordere einen sozialverträglichen Wandel, führe aber tatsächlich zu steigenden Preisen und Lebenshaltungskosten.
Einmal mehr zeigt sich der Geschlechtergraben bei Umweltvorlagen. «Frauen sind ökologiefreundlicher als Männer», sagt Mousson. Doch auch bei den Frauen könnten die Sorgen um den Wirtschaftsstandort Schweiz und den eigenen Lebensstandard für den Stimmentscheid noch ausschlaggebend werden.
Das Fazit der Politologin: «Das Thema Ökologie bewegt. Die Befürchtungen wiegen aber derart schwer, dass derzeit eine Mehrheit die Initiative ablehnt.» Der Abstimmungskampf wird zwar erst nach den Festtagen Fahrt aufnehmen. Klar ist aber schon jetzt: Die Initianten werden viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um das Ruder herumzureissen.
Die Eckwerte der Umfrage
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Die Umfrage zur Abstimmung vom 9. Februar 2025 ist im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut GFS Bern zwischen dem 2. und 16. Dezember 2024 durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Antworten von 19'347 Stimmberechtigten für die Auswertung berücksichtigt.
Befragungsarten: Telefonisch, online und Social Media
Telefonisch
befragt wurden 518 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Interviews wurden per Festnetz und Handy durchgeführt. Diese Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten.
Zusätzlich wurden Personen
online
befragt. Die Teilnehmenden wurden dazu über die Webportale der SRG rekrutiert. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 18’327 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden.
Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in-Verfahren), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. So nehmen zum Beispiel typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil.
Diese Daten werden aber mittels Gewichtungen an die realen Verhältnisse der Stimmberechtigten angenähert. Es werden dabei räumliche (Wohnort), soziodemografische (Alter oder Geschlecht) und politische Gewichtungsfaktoren eingesetzt. Durch diese Gewichtung wird die Repräsentativität der Stichprobe optimiert. Ziel ist, die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen.
Weitere 502 Personen wurden über
Social-Media-Kanäle
befragt. Rekrutiert wurden diese Befragten über Social Media Ads vom Unternehmen Boomerang Ideas. Die über KI generierten Ads werden gezielt auf verschiedenen Plattformen für Personen mit unterschiedlichem Alter, aus verschiedenen Regionen und mit beiden Geschlechtern ausgespielt. Befragt wurden einzig die Stimmabsichten zur Vorlage, keine Argumente.
Der statistische Fehler beträgt gemäss GFS Bern +/-2.8 Prozentpunkte. Bei einem Ergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.2 und 52.8 Prozent. Dabei sind kleinere Abweichungen wahrscheinlicher, grössere unwahrscheinlicher.
Das Forschungsinstitut GFS Bern führt zwei Umfragen zu den Abstimmungen vom 9. Februar durch. Die Autoren der Studie betonen, die Ergebnisse seien kein vorweggenommenes Abstimmungsergebnis, sondern eine Momentaufnahme zur Zeit der Befragung. Aussagen über den Trend in der Meinungsbildung können allenfalls bei der zweiten Umfrage, welche vor der Schlussmobilisierung durchgeführt wird, gemacht werden.
Den gesamten Bericht zur SRG-Umfrage finden Sie auf der Seite von
GFS Bern
.
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