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Undercover bei den Abzockern Schweiz dient Pseudo-König als Drehscheibe

Angefangen hat alles 2012: Peter Fitzek – gelernter Koch und Karatelehrer – liess sich in einer pompösen Zeremonie zum König ausrufen. Mit Hermelinmantel, Schwert und eigener Verfassung.

«König» Peter im Hermelinmantel
Legende: Vom Koch zum König: Peter Fitzek lässt sich 2012 in Wittenberg, im Bundesland Sachsen-Anhalt, krönen. KRD

Jetzt zeigt sich: Der Pseudo-König verschiebt sein Geld auch über die Schweiz. Und es arbeiten treue Schweizer Untertanen für ihn.

Was lustig tönt, ist keineswegs harmlos: Das «Königreich Deutschland» – kurz KRD – sei mit rund 6'000 Anhängerinnen und Anhängern eine der grössten Reichsbürger-Gruppierungen, schreibt der deutsche Geheimdienst. Der «König» bezeichnet sich selbst als Reichsbürger und verbreitet eine antisemitische Weltsicht. Die KRDler lehnen Staaten wie Deutschland oder die Schweiz ab und rufen zum Systemumsturz auf.

«Grosse finanzielle Schäden»

Der Verfassungsschutz warnt auch vor den Geldmaschen Fitzeks: Wer sich dem KRD anschliesse oder mit Anhängern geschäfte, riskiere «grosse finanzielle Schäden».

Nun will das KRD sein Abzocksystem auch in der Schweiz verankern. Im letzten November organisierte das KRD in Basel eine «Auftaktveranstaltung». Seither fand mindestens ein Event des KRD im Kanton Schwyz statt, weitere sind für diesen Monat in Zürich und der Ostschweiz geplant.

Schweizer stützen das KRD-System

SRF hat am Auftaktanlass in Basel verdeckt recherchiert. Schnell wird dort klar: Es geht immer wieder um Geld – und mehrere Schweizer engagieren sich bereits stark für das KRD.

SRF Investigativ hatte Einblick in verschiedene Mitglieder- und Buchhaltungslisten des Königreichs. Demnach sind rund 100 Personen aus der Schweiz mit der Organisation enger in Kontakt. Das heisst: Sie haben in den letzten zwei bis drei Jahren an Events teilgenommen und/oder Geld ans Königreich überwiesen. Teils Beträge von bis zu 20'000 Euro.

Die Geldmaschen des KRD

Fitzek hat sich auch finanziell ein eigenes Reich aufgebaut: mit Pseudo-Krankenkassen, Banken, eigener Währung und vielen teuren Beratungen und Kursen.

Auch am Schweizer Auftakt-Event des KRD werden diese Dienstleistungen an Ständen feilgeboten. Mehrere Personen eröffnen auch tatsächlich vor Ort in Basel ein KRD-Bankkonto. Bewilligungen für Bank- und Versicherungsgeschäfte hat das KRD weder in Deutschland noch der Schweiz.

Frau unterzeichnet ein Formular
Legende: Undercover-Aufnahme: Hier eröffnet eine Frau am KRD-Event im November 2023 in Basel ein Pseudo-Bankkonto. SRF

SRF Investigativ liegen interne KRD-Dokumente vor. Diese zeigen, dass Personen aus der Schweiz schon früher Produkte des KRD kauften. Etwa fiktive Führerscheine oder IDs. Auch zeigten mehrere Leute Interesse an KRD-eigenen Heizgeräten.

«Leute werden systematisch abgezockt»

Sekten-Expertin Julia Sulzmann beobachtet den extremistischen Fantasiestaat  seit Jahren und sagt, die Abzocke passiere auf zwei Ebenen: Sympathisanten würden ständig aufgefordert, Geld zu zahlen, und zwar so viel wie möglich.

Dazu käme die Freiwilligenarbeit: «Systeme wie das ‘Königreich Deutschland’ basieren auf freiwilliger, unbezahlter Arbeit», sagt Sulzmann. Das führe zu Abhängigkeit und sei irgendwann auch eine Form von Abzocke.

Ausstieg aus dem KRD: schwierig

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Das KRD verbreite nicht nur radikale und extremistische Ideologien, sagt Sekten-Expertin Julia Sulzmann von der Beratungsstelle Relinfo. Menschen, die dort mitmachten, würden auch zu Straftaten verleitet und in eine Abhängigkeit befördert.

Wenn diese etwa ihr eigenes Vermögen von Euro oder Schweizer Franken in die fiktive KRD-Währung umtauschten: «Wenn man sein ganzes Geld dort einzahlt, muss man auch irgendwie in dem System drinbleiben», sagt Sulzmann.

Ein wichtiger Punkt sei zudem die Freiwilligenarbeit. Wenn das KRD zum Beispiel Renovationsarbeiten auf seinen Anwesen gratis durchführen lässt, heisst das auch: Die Leute verdienen in dieser Zeit nicht, zahlen meist nicht in Renten- oder Krankenversicherungen ein, haben eine Lücke im Lebenslauf. «Das bedeutet, dass irgendwann so ein Zwang entsteht, dass die Leute wirklich ohne Gegenleistung arbeiten müssen», sagt Sulzmann.

Ein Ausstieg aus der Gemeinschaft: praktisch unmöglich.

Welche Rolle spielen die Schweizer Anhänger im KRD? SRF Investigativ beleuchtet drei Personen, durch die deutlich wird, wie das System funktioniert. Alle drei nahmen gegenüber SRF Investigativ keine Stellung.

Marco, der «Statthalter»

Marco Ginzel ist eines der prominentesten Gesichter des KRD und tritt regelmässig in Videos auf. Er führt darin etwa durch die Renovationsarbeiten in einem KRD-Anwesen im deutschen Bundesland Sachsen oder zeigt eine der unbewilligten Bankfilialen. Er sitzt auch im Vorstand von Vereinen des KRD und leitet offiziell den Standort Bärwalde – ein renovationsbedürftiges Schloss nördlich von Dresden.

Doch der gebürtige Schweizer ist auch hinter den Kulissen aktiv. Wie Dokumente zeigen, hat er für den König mindestens zwei Anwesen in Sachsen gekauft. In einem Kaufvertrag ist er mit seinem Schweizer Pass und einer Adresse in Solothurn aufgeführt.

Ginzel ist auch bei den deutschen Behörden aktenkundig: In einem Durchsuchungsbeschluss für eine Razzia im November 2023 wird er namentlich aufgeführt und als einer der «Strohmänner» von König Fitzek bezeichnet. Demnach soll Marco Ginzel «einen Millionenkaufpreis aufgebracht haben», um ein Schloss für den Möchtegern-König zu kaufen. Von der deutschen Finanzaufsicht BaFin wurde Ginzel Ende 2023 abgemahnt. Er habe u.a. über verschiedene Bankkonti unerlaubte Geschäfte für Fitzek abgewickelt.

SRF Investigativ hat Marco Ginzel schriftlich sowie persönlich, bei einem Besuch in Bärwalde, um ein Interview und eine Stellungnahme gebeten. Bis Redaktionsschluss kam er dieser Bitte nicht nach.

Joel, der «Botschafter»

Joel ist einer der Schweizer Werbeträger für das KRD. Er hat in den letzten Monaten etwa zwei Wanderungen für KRD-Anhängerinnen und Anhänger in der Schweiz organisiert und weibelte an der Auftaktveranstaltung in Basel für das «Königreich». Er hat selbst auch Kurse des KRD absolviert, die ihn zum Sprecher befähigen sollen.

In Videos, die Joel auf Telegram postet, sagt er Sätze wie: «Ich will euch wissen lassen, dass ich alles hier aus der Schweiz tue, um diese Idee des ‘Königreichs Deutschland’ zu unterstützen.» Den Schweizer Staat und das Schweizer Finanzsystem lehnt er ab, wie er am KRD-Event in Basel sagt: «Ich habe nur noch mein nötigstes Geld in dem System, den Rest überweise ich alles auf die königliche Reichsbank.» Er wolle dieses Jahr auch keine Steuern und Krankenkassenprämien mehr zahlen, weil nur so die heutigen Staatsstrukturen «an ein Ende kommen».

SRF war mit Joel mehrfach telefonisch und schriftlich in Kontakt. Die Fragen, warum er eine extremistische Organisation unterstütze und weshalb er widerrechtliche Finanzprodukte bewerbe, lässt er unbeantwortet.

R., der «Untertan»

R. stützt das System quasi von unten. Seine Entsorgungsfirma habe er vor 1,5 Jahren auch als «KRD-Firma» registriert, sagt er an der Auftaktveranstaltung in Basel. Um eine solche Firma im Königreich zu registrieren, bietet das KRD eigene Beratungen an, die teils mehrere zehntausend Euro kosten.

Ein Besuch von SRF Investigativ in einer Gemeinde in Ostschweiz zeigt: Tatsächlich hat R. die Aufschrift «Ein Betrieb im KRD» auf seine Mulden gedruckt.

Abfallmulde mit Beschriftung «Ein Betrieb im KRD»
Legende: Mitten in der Schweiz: Mulden einer Entsorgungsfirma mit der Aufschrift des «Königreichs Deutschland». SRF

Auch in den Dokumenten, die SRF vorliegen, taucht R. mehrfach auf. Demnach hat er im Jahr 2022 mehrere Pseudo-Ausweise des KRD erstanden: eine fiktive Staatsangehörigkeit für knapp 400 Euro oder einen KRD-Führerschein für 70 Euro.

Aus einer E-Mail geht weiter hervor, dass R. gemeinsam mit einer Bekannten aus dem Nachbardorf ein Waldstück ans KRD überschreiben wollte. Diese Schenkung sollte «als 1. Projekt in der Schweiz» umgesetzt werden, wie es in der Mail heisst, die direkt an Pseudo-König Peter Fitzek adressiert ist. Gemäss der Bekannten kam die Schenkung letztlich nicht zustande. Offen ist, ob anderswo Schweizer Grund und Boden ans fiktive Königreich verschenkt wurden.

SRF hat R. vor Ort bei seinem Betrieb und schriftlich konfrontiert. Er lehnte sowohl ein Interview als auch eine Stellungnahme ab.

Die Geldmaschinerie funktioniert. Das KRD hantiert mit Millionenbeträgen. Das geht aus den internen Dokumenten hervor, die SRF Investigativ zugespielt wurden.

Millionen-Spenden für den «König»

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Eine Buchhaltungs-Liste des KRD, die SRF Investigativ vorliegt, führt etliche Konti und Buchungen aus dem Jahr 2022 auf. Darin sind etwa unter «Rücklagen Tresor» Beträge vermerkt, die zusammengezählt über 1,6 Millionen Euro ergeben.

Ein besonders interessanter Posten scheinen die «Kapitalüberlassungen». Hier sind allein für ein Jahr Beträge von insgesamt 7 Millionen Euro aufgelistet.

Einzelne Personen haben offenbar riesige Summen ans KRD überwiesen: ein Mann soll 350'000 Euro überlassen haben, eine Frau 270'000. Auch aus der Schweiz gab es laut den Auflistungen mehrere Kapitalüberlassungen.

Dieses Geld dürfte für immer weg sein. Das steht Schwarz auf Weiss in einem Mustervertrag zu diesen Kapitalüberlassungen. Die Person, welche Geld an das KRD überweise, «nimmt bewusst die Möglichkeit des Scheiterns des KRD (…) und den Totalverlust der Euro-Gelder in Kauf», heisst es darin lapidar.

Inwiefern solche Verträge tatsächlich unterschrieben und die aufgeführten Beträge überwiesen oder allenfalls auch zurückgezahlt wurden, lässt sich nicht überprüfen.

Das «Königreich Deutschland» stützt sich aber nicht nur auf loyale Anhängerinnen und Anhänger in der Schweiz. Es lässt offenbar auch Geld über Schweizer Bankkonti fliessen.

Schweizer Bankkonti für den Möchtegern-König

In den internen KRD-Dokumenten, die SRF Investigativ vorliegen, tauchen alleine sechs Schweizer Konti auf: Fünf bei der Postfinance und eines bei der Biene Bank aus dem Rheintal.

Foto eines PostFinance-Kontoauszugs
Legende: Im echten Leben scheint es der Pseudo-König zu bevorzugen, sein Geld ganz profan in Euro anzulegen, und nicht in seiner eigenen KRD-Währung. SRF

Die Konti sind auf verschiedene Personen eingetragen, die mit dem KRD in Verbindung stehen und werden offensichtlich rege genutzt. Nur ein kleiner Ausschnitt zeigt: Hunderte Buchungen jährlich und Beträge von zusammengezählt rund einer Million Euro. Die Angaben stammen aus dem Jahr 2022. Wie viel Geld aktuell auf den Bankkonti liegt, ist nicht klar.

Das KRD und Peter Fitzek haben auf Anfrage von SRF Investigativ zu den Geldtransaktionen und den Aktivitäten in der Schweiz keine Stellung nehmen wollen.

Das sagen die Schweizer Behörden

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Die Schweizer Finanzmarktaufsicht schreibt auf Anfrage von SRF Investigativ, die «genannte Organisation» habe keine Bewilligung der Finma. Zu möglichen versteckten Geldern oder den vom KRD angebotenen Finanzprodukten äussert sich die Finma nicht.

Die Schweiz ist offensichtlich nicht nur potenzielles Untertanengebiet. Schon vor der Auftaktveranstaltung im letzten Herbst war sie wichtig für die Geldabwicklungen des KRD. Die extremistische Organisation ist längst hier angekommen.

Impressum

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Illustrative Darstellung des Pseudo-Königs
Legende: SRF

SRF Investigativ
Fiona Endres, Maj-Britt Horlacher (Autorinnen), Janik Leuenberger (Mitarbeit), Nadine Woodtli, Christian Schürer (Projektleitung)

Storytelling-Desk
Jonas Glatthard (Redaktion), Ulrich Krüger (Design), Fabian Schwander (Frontend-Entwicklung)

Tagesschau, 06.03.2024, 12:45 Uhr ; 

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