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Undercover-Fahndung Pädokriminellen in der Schweiz auf der Spur

Pädokriminelle, die online Kinder kontaktieren, sind im Visier der Polizei – doch weltweit versuchen auch Privatpersonen, die Täter zu erwischen. Das ist umstritten.

Eine verdeckte Fahndung der Stadtpolizei Zürich läuft. Das Ziel: ein mutmasslicher Pädokrimineller. Ermittler Michael Schuchter gibt sich online als 14-Jährige aus. «Oralverkehr, Analverkehr – er hat genau beschrieben, was er machen will», sagt Michael Schuchter zur «Rundschau». Die Polizei bereitet die Verhaftung vor.

Täter wollen Fotos und Treffen

Kriminelle kontaktieren online Kinder, planen sexuelle Übergriffe. Cybergrooming nennt sich das. Die Kriminellen geben sich auch als gleichaltrige Kinder aus.

Jeder zweite Teenager in der Schweiz im Alter zwischen 12 und 19 Jahren wird online mit unerwünschten sexuellen Absichten kontaktiert. Das zeigen Zahlen der James-Studie der ZHAW.

Aileen entlarvt im Netz Kriminelle

Pädokriminelle zu stoppen versucht nicht nur die Polizei, das tun auch Privatpersonen. Sie nennen sich selbst sogenannte «Pädojäger». Sie chatten mit falschen Profilen, konfrontieren die mutmasslichen Kriminellen.

Aileen ist kaufmännische Angestellte aus der Westschweiz. Sie sammelt Daten zu mutmasslichen Pädokriminellen. Dafür chattet sie in ihrer Freizeit online als 13-jähriges Mädchen mit potenziellen Tätern. Die Inhalte sind schockierend: «‹Wie geht es deinen Brüsten? Ich würde dich gerne lecken.› Solche Nachrichten bekommt ein dreizehnjähriges Kind», sagt Aileen.

Sie sagt, die Polizei müsse mehr gegen Pädokriminalität unternehmen, sie wolle mit ihrer Arbeit unterstützen. Sie gehört zum sogenannten «Team Moore», ein Kollektiv aus Frankreich, das Kriminelle entlarvt und der Polizei meldet. «Es gibt bei uns die Fänger. Sie steuern die Rolle der virtuellen Kinder. Dann gibt es die Ermittler, sie versuchen, die Identität der Person herauszufinden», sagt Aileen. Das «Team Moore» entstand vor sechs Jahren in Frankreich, mittlerweile hat es der Polizei in 13 Ländern über 500 Dossiers übergeben.

Verschwommene Personen neben geparktem blauen und weissem Auto.
Legende: 15 bis 20 Verhaftungen macht die Stadtpolizei Zürich pro Jahr nach solchen verdeckten Fahndungen. SRF

Drei Fälle hat Team Moore bislang in der Schweiz der Polizei gemeldet. In einem Fall aus dem Kanton Waadt läuft ein Strafverfahren. Ob es für eine Verurteilung reicht, ist noch unklar. Der Mann schlug dem Mädchen mehrmals Treffen vor. «Ohne unser Eingreifen wären diese Individuen am Ende völlig unter dem Radar des Justizsystems durch», sagt Aileen.

Polizei sieht das kritisch

Private, die Polizeiarbeit übernehmen, seien ein Problem, sagt Beat Rhyner, Leiter spezialisierte Ermittlungen bei der Stadtpolizei Zürich: «Es ist häufig unklar, ob das, was uns die Privaten geben, vor Gericht verwertbar ist.» Und: «Wir wollen unsere knappen Ressourcen für die Fälle brauchen, die physisch Kontakt suchen zu Kindern und diese missbrauchen wollen.»

Die Stadtpolizei Zürich ist eines der wenigen Schweizer Polizeikorps, die solche verdeckten Einsätze durchführt. 15 bis 20 Verhaftungen von mutmasslich Pädokriminellen macht die Stadtpolizei so pro Jahr.

Polizist Schuchter kann rund 20 Prozent seines Pensums dafür aufwenden. Warum macht die Stadtpolizei nicht mehr solche verdeckten Fahndungen im Chat? «Wenn man das wirklich verstärken will, muss man die Ressourcen aufstocken», sagt Ermittlungsleiter Rhyner. «Das ist eine politische Frage.»

Rundschau, 19.3.2025, 20:10 Uhr

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