Das Gesetz ist glasklar: Alle Versicherten müssen in der Grundversicherung gleichbehandelt werden. Doch «Kassensturz» zeigt: Dem ist nicht so.
Gewisse Kassen verweigern Leistungen systematisch
Franziska Sprecher ist Präsidentin der Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten und erlebt in dieser Funktion die Ungleichbehandlung von Patienten hautnah. Jedes dritte Gesuch, für eine teure und aufwändige Genanalyse im Labor der Stiftung, wird abgelehnt. «Gewisse Kassen lehnen Kostengutsprachen systematisch ab», sagt Franziska Sprecher. Das obwohl klar geregelt ist, welche Leistungen bei Laboranalysen in die Grundversicherung fallen.
«Wir erleben, dass vor allem kleine, eher billige Kassen immer wieder Kostengutsprachen ablehnen. Es gibt aber auch grosse Grundversicherer, die Leistungen teils gar ohne Begründung systematisch verweigern. Das ist rechtswidrig», sagt Franziska Sprecher. Mehrere Gerichtsverfahren hat die Stiftung gemeinsam mit Patienten in den letzten Jahren gewonnen. Doch solche Daten sammelt die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Gesundheit, nicht.
BAG muss Transparenz schaffen
Für Franziska Sprecher ist diese defensive Haltung der Behörde unhaltbar. Die Professorin für Gesundheitsrecht an der Universität Bern fordert: «Es braucht mehr Transparenz in Sachen Leistung der Kassen.» Das BAG müsse aufzeigen, welche Kassen Leistungen in der Grundversicherung systematisch ablehnen.
Dass Versicherte je nach Krankenkasse ungleich behandelt würden, erlebt der Onkologe Marco Siano in seiner Praxis in Biel schon lange. Er verschreibt häufig nicht zugelassene Medikamente, die unter bestimmten Voraussetzungen von der Grundversicherung übernommen werden. «Ich erlebe immer wieder, dass beinahe identische Anfragen für Kostengutsprachen von verschiedenen Kassen komplett anders beurteilt werden. Das zeigt mir, das System funktioniert nicht.» Darum rate er mittlerweile Patienten von gewissen Kassen ab.
BAG verschweigt Namen der Krankenkassen
Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit aus dem Jahr 2020 bestätigt, dass bei vergüteten Medikamenten ausserhalb der Spezialitätenliste derzeit eine Ungleichbehandlung besteht. Doch obwohl das Amt über statistisch belastbare Daten verfügt, verschweigt das BAG die Namen der Krankenkassen.
Das sei unhaltbar, findet Daniel Tapernoux von der Schweizerischen Patientenorganisation SPO. «Die Studie zeigt nämlich auf, was für alle Grundversicherungsleistungen gilt: Es kommt dann zu grossen Unterschieden, wenn der Vertrauensarzt der Kassen mit im Spiel ist.» Da müsse die Aufsichtsbehörde dringend mehr Transparenz schaffen.
Zu diesem Vorwurf sagt das BAG: «Wir selbst wissen nicht, welche Kassen das sind.» Denn der Bericht sei anonymisiert. Absurd: Die Rohdaten wären bei den beauftragten Forschern einfach zu beschaffen.