In allen landwirtschaftlich genutzten Böden der Schweiz finden sich Chemierückstände – wenn auch in geringen Mengen, wie eine Untersuchung der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes, Agroscope, zeigt. Auch Felder, die seit Jahren biologisch bewirtschaftet werden, seien betroffen, sagt Forschungsleiter Marcel van der Heijden.
SRF News: Wie viele und welche Art landwirtschaftlich genutzter Felder haben Sie untersucht?
Marcel van der Heijden: Wir haben 100 verschiedene Acker- und Gemüsebaufelder untersucht. Dabei fanden wir Rückstände von 46 verschiedenen Pestiziden. Die Chemikalien sind oft nur in sehr tiefen Konzentrationen nachweisbar – aber sie sind da.
Sie fanden auch Chemierückstände in jenen Böden, die seit Jahren biologisch bearbeitet werden – auf denen also keine Chemikalien ausgebracht werden.
Ja. Wir untersuchten 60 konventionell bewirtschaftete Felder und 40 biologisch genutzte Felder. Überall fanden wir Pestizidrückstände in den Böden.
Hat sie das überrascht?
Teilweise ja. Aber es ist natürlich schon möglich, dass ein biologisch bewirtschaftetes Feld durch die Pestizide, die auf einem konventionellen Nachbarfeld ausgebracht werden, beeinträchtigt wird – etwa durch den Wind.
Wir fanden auch eine Chemikalie, die schon 2007 verboten wurde.
Wir haben aber auch längst verbotene Chemikalien nachweisen können: So wurde etwa Atrosin schon 2007 verboten, doch wir fanden Rückstände davon in fast allen untersuchten Feldern – wenn auch in sehr kleinen Konzentrationen.
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Bleiben alle Pflanzenschutzmittel gleich lang im Boden nachweisbar oder gibt es da Unterschiede?
Es gibt sehr grosse Unterschiede: Manche Pestizide werden in wenigen Tagen abgebaut, andere sind auch nach Jahren noch nachweisbar.
Welche Auswirkungen haben die Chemikalien auf die Bodenlebewesen?
Um das herauszufinden haben wir angeschaut, welchen Einfluss die Chemierückstände auf das Vorkommen von Mykorrhiza Pilzen haben. Diese nützlichen Bodenpilze helfen den Pflanzen, Nährstoffe aufzunehmen.
Je mehr Chemierückstände – desto weniger nützliche Bodenpilze.
Ergebnis: Es gibt eine negative Korrelation zwischen der Anzahl nachgewiesener Chemikalien-Rückstände und dem Vorkommen des Pilzes. Mit anderen Worten: Je mehr Pestizidrückstände wir fanden, desto weniger von diesen Wurzelpilzen waren im Boden vorhanden.
Heisst das, dass die Pestizide für den Rückgang der Mykorrhiza-Pilze verantwortlich sind?
Jedes Feld hat eine eigene Geschichte, eine andere Fruchtfolge, es werden unterschiedliche Pflanzenkulturen angebaut mit unterschiedlicher Düngungspraxis oder anderem Pestizideinsatz.
Es braucht weitere Untersuchungen.
Deshalb können wir nur Korrelationen feststellen: Je höher die Anzahl der Pestizide im Boden ist, desto weniger nützliche Lebewesen wie Pilze fanden wir. Ob dafür tatsächlich die Pestizide verantwortlich sind, müssen wir in weiteren Experimenten aber erst noch herausfinden.
Ist das, was Sie herausgefunden haben, ein Alarmzeichen, oder ist es das, was man erwarten musste und man jetzt halt noch besser untersuchen muss?
Zu den Pestizidrückständen im Wasser und den Auswirkungen auf die Wasserlebewesen gibt es bereits recht viele Untersuchungen, doch die Auswirkungen der Chemikalien im Boden kennt man noch nicht sehr gut. Wir haben jetzt Hinweise, dass die Pestizide einen negativen Einfluss auf nützliche Bodenlebewesen haben könnten. Doch ob es tatsächlich so ist – und wie schlimm das ist – wissen wir noch nicht. Das versuchen wir jetzt, mit weiteren Experimenten herauszufinden.
Das Gespräch führte Christian von Burg.