Es ist ein knappes, vor allem aber ein überraschendes Urteil aus Lausanne: Drei von fünf Bundesrichtern halten fest, Isabel Garcia habe mit ihrem Wechsel von der GLP zur FDP – notabene gerade mal elf Tage nach der Zürcher Kantonsratswahl 2023 – die Wählerinnen und Wähler getäuscht. Die Wählenden hätten diesen Sitz den Grünliberalen gegeben. Und nicht der Person Isabel Garcia und schon gar nicht der FDP.
Nach ihrem Parteiübertritt sei der Wählerwille nicht mehr korrekt abgebildet. Damit stellt sich eine Mehrheit des Richtergremiums auf den Standpunkt: Ein Sitz in einem Kantonsparlament gehört mehr der Partei als der gewählten Politikerin.
Heutiger Entscheid kippt Leitentscheid von 2008
Das war vor 16 Jahren noch genau umgekehrt: Als im Jahr 2008 eine Politikerin im Kanton St. Gallen ebenfalls kurz nach ihrer Wahl die Partei wechselte, wies das oberste Schweizer Gericht die Beschwerde dagegen ab. Es gelte das sogenannte Instruktionsverbot, das einer Politikerin die Freiheit garantiere, ihr Amt so auszuführen, wie sie wolle; und damit auch in der Partei, der sie angehören wolle.
Solche Parteiübertritte kurz nach Wahlgängen seien zwar «politisch fragwürdig» und kratzten an der Glaubwürdigkeit der Wahlen – die Folgen müssten aber politisch sein und nicht juristisch. Sprich: Die Parlamentarierinnen müssten mit einer Abwahl bestraft werden und nicht mit einem Gerichtsentscheid.
Dass heute eine knappe Mehrheit der Richter in Lausanne anders entschieden hat, zeigt eine Veränderung in den letzten Jahren: Die Parteien haben an Bedeutung gewonnen, auf Kosten der einzelnen Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
Endgültiger Entscheid über diesen Sitz fällt in Zürich
Wenn die Parteizugehörigkeit bei Proporzwahlen wichtiger ist als die Person hinter dem Parteibuch, kann der Übertritt Garcias nicht gutgeheissen werden. Sie liess sich für die eine Partei wählen, um nicht einmal zwei Wochen später in eine andere zu wechseln.
Offen bleibt die Frage, wann sie die Entscheidung getroffen hat. Gemäss ihrer Aussage sei dieser Entschluss erst nach den Wahlen gereift. Damit habe sie nicht wissentlich die Wählerinnen und Wähler hinters Licht geführt.
Wie das genau ablief und ob Isabel Garcia ihren Sitz im Parlament behalten darf, muss nun das Zürcher Verwaltungsgericht entscheiden. Klar ist: Das heutige Urteil aus Lausanne soll die Glaubwürdigkeit von Wahlen stärken – und der Entscheid ist eine eindringliche Warnung an wechselwillige Politiker und Politikerinnen, die kurz nach den Wahlen die Partei zu wechseln gedenken.