Die Schweiz hat Witwen und Witwer lange Zeit ungleich behandelt. Bei der Auszahlung einer Hinterbliebenenrente wurde zwischen Männern und Frauen unterschieden.
Der Hauptunterschied bestand darin, dass der Anspruch von Männern auf eine Rente erlosch, wenn das jüngste Kind volljährig wurde. Frauen erhielten dagegen die Witwenrente lebenslang.
Diese Praxis beendete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor zwei Jahren. Das Gericht hielt fest, dass die Gesetzgebung der Schweiz Witwer diskriminiere. Seither ist die Politik am Zug und sucht eine neue Regelung.
Ungleichbehandlung aufgehoben
Für die Zeit, bis eine neue Gesetzgebung in Kraft tritt, hat das Bundesamt für Sozialversicherungen eine Übergangsregelung in Kraft gesetzt und die Ungleichbehandlung von Witwen und Witwer aufgehoben. Seither erhalten auch Männer die Witwerrente unbefristet.
Im jetzt vom Bundesgericht beurteilten Fall gibt es eine zusätzliche Spezialität. Es geht um einen Mann, der zum Zeitpunkt, als seine Frau starb und er zum Witwer wurde, schon sechs Jahre geschieden war. Seine damals 17-jährige Tochter besuchte ein Sonderschulinternat.
Die Ausgleichskasse des Kantons Freiburg gewährte dem Mann zwar eine Witwerrente, stellte die Zahlung aber ein, als die Tochter volljährig wurde. Das Amt begründete den Entscheid damit, dass die vom Bundesamt für Sozialversicherungen eingeführte Übergangsregelung nicht für geschiedene Männer gelte.
Regelung gilt auch für Geschiedene
Dieser Argumentation widerspricht nun das Bundesgericht. Es schreibt in seinem Leiturteil, dass die Übergangsregelung zwar ausdrücklich festhalte, dass sie nur für Witwer, nicht aber für geschiedene Ehemänner gelte.
Doch mit diesem Vorgehen werde nicht nur die Gleichstellung von geschiedenen und verwitweten Personen ohne nähere Begründung relativiert, sondern auch die Rechtsungleichheit zwischen geschiedenen Männern und Frauen fortgesetzt.
Das Gericht kommt zum Schluss, dass die Weisung des Bundesamts für Sozialversicherungen gesetzeswidrig ist und deshalb nicht beachtet werden soll. Der Mann hat also Anspruch auf Witwerrente – und zwar über die Volljährigkeit seiner Tochter hinaus.