Seit Monaten lässt der Bundesrat nichts gegen aussen verlauten, wie er sich zum Rahmenabkommen mit der EU stellt. Diese Stille soll bald beendet werden, denn bis Ende Juni muss der Bundesrat entscheiden, wie er künftig die Beziehungen zur EU auslegen will.
Doch mitten in dieser Phase irritieren die beiden SVP-Bundesräte mit einem Sololauf. Den Anfang machte Bundespräsident Ueli Maurer: «Die Vernehmlassung des Rahmenabkommens zeigt, dass es nicht mehrheitsfähig ist.» Es gäbe zu viele offene Punkte, die von der Schweizer Wirtschaft als zu negativ anschaut werden würden.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin nahm den Ball auf und sagte gegenüber dem Sonntagsblick, dass es für den vorliegenden Text keine Mehrheit gebe und man nochmals verhandeln müsse.
«Ein ungutes Zeichen»
Dass die beiden SVP-Bundesräte öffentlich Stellung beziehen, stösst bei der CVP-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter auf Unverständnis: «Das entspricht nicht dem Kollegialitätsprinzip.» Das Kollegialitätsprinzip ist in der Bundesverfassung verankert und schreibt vor, dass der Bundesrat nach Aussen mit einer einheitlichen Haltung auftritt, selbst wenn diese nicht den persönlichen Meinungen entspricht.
«Ein ungutes Zeichen in einem Kollegialitätssystem, wenn man so in die Öffentlichkeit geht», findet auch SP-Nationalrat Erich Nussbaumer. Etwas mehr Verständnis äussert Beat Walti, Fraktionschef der Freisinnigen: «Ich würde es nicht dramatisieren, wenn sich einzelne Vertreter der Regierung bereits äussern.» Aber nun sei es umso wichtiger, dass die Kakophonie beendet werde und der Bundesrat mit einer Stimme spreche.
Doch diese Einigung sei schwieriger geworden, kommentiert der Grüne Balthasar Glättli: «Die Beiden, die vorgeprescht sind, haben sicher nicht dazu beigetragen, dass es einfacher wird zu einer gemeinsamen Haltung im Bundesrat zu kommen.»
Die Sololäufe schadeten der Sache und zudem gebe der Bundesrat ein schlechtes Bild ab, so BDP-Präsident Martin Landolt: «Es unterstreicht das Gesamtbild, das ich bereits seit längerem habe.» Der Bundesrat und die einzelnen Mitglieder seien führungslos unterwegs.
Gleich klingt es beim grünliberalen Jürg Grossen: «Der Bundesrat gibt leider das Bild einer Nicht-Regierung ab.» Man wolle keine Verantwortung übernehmen.
Rösti stellt sich hinter Bundesräte
Ein führungsloser und uneiniger Bundesrat? Mitnichten, entgegnet SVP-Parteipräsident Albert Röst: «Man hört diese Kritik der Führungslosigkeit von jenen, die ungeachtet der schweizerischen Werten eine rasche Unterzeichnung des Abkommens wollen und die Schweiz damit in die EU führen möchten.»
Es sei ein offenes Geheimnis, dass der Rahmenvertrag nicht nur von der SVP, sondern von verschiedensten Seiten kritisiert werde. Deshalb verstehe er die Aufregung nicht. «Maurer und Parmelin haben nicht von einem Abbruch oder einer Unterschrift gesprochen.» Sie hätten lediglich den Sachverhalt dargestellt.
Kollegialitätsprinzip nicht verletzt
Das Kollegialitätsprinzip werde nicht verletzt. Stimmt, sagt Politwissenschaftlerin Cloé Jans vom gfs Bern. «Das Kollegialitätsprinzip gilt erst dann, wenn der Entscheid des Gesamtbundesrates vorliegt.»
So bekomme das Volk aber die Uneinigkeit im Gremium zu spüren und das diene der Sache nicht. Dass Maurer und Parmelin vorgeprescht sind, erklärt sich Jans damit, dass die SVP das Thema wieder stärker besetzen wolle. «Es bleibt unklar, wer in diesem Dossier federführend ist. Ist es Bundesrat Cassis als Aussenminister? Ist es Karin Keller-Sutter, die sich auch zu diesem Thema geäussert hat?»
Die ganze Diskussion zeige vor allem die Wichtigkeit eines baldigen Bundesratentscheides.