Masken, Schutzanzüge und bestimmte Medikamente waren Mangelware zu Beginn der Pandemie. Die kantonalen Lagerbestände waren ungenügend. Mit der Krise brachen die internationalen Lieferketten zusammen. Nach und nach entspannte sich die Lage.
Nun zieht der Bundesrat im Aussenwirtschaftspolitischen Bericht das Fazit, dass es gar nicht so schlecht gelaufen sei: «Im Rückblick funktionierten die globalen Wertschöpfungsketten für die Schweiz auch während der Covid-19-Krise insgesamt gut.» Das System habe sich bewährt. Lücken in den Lieferketten könnten die Unternehmen am besten selber schliessen.
Im Rückblick funktionierten die globalen Wertschöpfungsketten für die Schweiz auch während der Covid-19-Krise insgesamt gut.
Widerspruch: Privatwirtschaft überfordert
Völlig anders erlebt hat das Spitalapotheker Enea Martinelli vom Verein der Schweizerischen Amts- und Spitalapotheker: «Das ist doch ein erstaunliches Fazit», sagt er. Man habe die Versorgung nur mit riesigem Aufwand in Zusammenarbeit mit Bund, Kantonen und Spitälern sicherstellen können: «Dass die Privatwirtschaft das gestemmt hätte, ist schlicht falsch.»
Dass die Privatwirtschaft das gestemmt hätte, ist schlicht falsch.
Auf staatliche Eingriffe in Lieferketten möchte der Bundesrat aber möglichst verzichten: Die Versorgung sei grundsätzlich Sache der Wirtschaft. Als Ausnahme nennt er Notsituationen: «Im Fall einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage kann der Bundesrat einzelne Unternehmen dazu verpflichten, die Lagerhaltung an lebenswichtigen Gütern zu verstärken.»
Widerspruch: alle Länder im gleichen Boot
Auch damit verkenne der Bundesrat die Lage, erwidert CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, Präsidentin der Gesundheitskommission: «Im Frühling gab es gar keine Möglichkeit mehr dafür. In einer Krise mit allen Ländern in der gleichen Lage ist es unmöglich, ein Unternehmen zur Erhöhung von Lagern zu verpflichten.»
In einer Krise mit allen Ländern in der gleichen Lage ist es unmöglich, Unternehmen zu grösseren Lagern zu verpflichten.
Wie stark soll der Staat in die Wirtschaft eingreifen, um die eigene Versorgung sicherzustellen und Arbeitsplätze zu sichern? Darüber wird weltweit gestritten. Befürworter einer stärkeren Rolle des Staats möchten weniger Abhängigkeit vom Ausland. Davor warnt der Bundesrat: Gerade die Schweiz als Exportnation sei auf offene Märkte angewiesen.
Forderung: Produktion zurückholen
Damit erteilt der Bundesrat Wünschen aus dem Parlament eine Abfuhr. National- und Ständerat forderten letztes Jahr in mehreren Vorstössen, die Produktion bestimmter Medikamente sei in die Schweiz oder nach Europa zurückzuholen. Oder die Rückholung wenigstens zu prüfen.
Ein entsprechender Bericht werde derzeit erstellt, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft auf Anfrage von Radio SRF – und zieht bereits eine erste Zwischenbilanz: «Dabei zeichnet sich ab, dass eine Renationalisierung der Produktion aus wirtschaftspolitischer Sicht grundsätzlich nicht zu empfehlen ist.»
Kosten oder Gesundheit an erster Stelle?
CVP-Nationalrätin Humbel ärgert sich, dass der Bundesrat Position bezieht, bevor er die Fragen des Parlaments richtig geprüft habe: «Der Bericht geht von einer festen Meinung aus, die nicht den Aufträgen des Parlaments entspricht.» Das werde bei der Beratung thematisiert werden müssen.
Thema werden spätestens dann auch die Kosten. Möglichst viel im Inland zu produzieren – das werde teuer, schreibt der Bundesrat, gerade im Hochpreis- und Hochlohnland Schweiz. Spitalapotheker Martinelli erwidert: «Es geht in erster Linie darum, Patienten zu behandeln. Die Kosten kämen direkt danach, hätten aber nicht Priorität.