2.6 Milliarden Franken Minus war die Prognose für den Bundeshaushalt. Doch die Jahresrechnung, die Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Februar präsentierte, war fast ausgeglichen – dank der Steuereinnahmen aus dem Kanton Genf. «Wir danken den Rohstoffhändlern», kommentierte die Bundesrätin das gute Ergebnis.
Der internationale Handel macht in Genf mehr als die Hälfte aller Einnahmen bei der Unternehmenssteuer aus.
Auch dem Kanton Genf dürften die Steuereinnahmen aus dem Rohstoffhandel für 2024 ein sattes Plus bescheren. Die Genfer Finanzdirektorin und Regierungspräsidentin Nathalie Fontanet sagt: «Der internationale Handel macht in Genf mehr als die Hälfte aller Einnahmen bei der Unternehmenssteuer aus.»
Genf profitiert von Kriegsgewinnen
Firmen wie Vitol, Trafigura oder Gunvor kontrollieren von Genf aus zum Beispiel rund ein Drittel des internationalen Handels mit Erdöl. Diese Firmen haben in den letzten Jahren Gewinne in Milliardenhöhe eingefahren und dementsprechend viel Steuern gezahlt.
Das freut nicht alle. Oliver Classen von der Nichtregierungsorganisation Public Eye sagt: «Die ganzen Profite gehen auf Kriegsgewinne zurück. Genf profitiert massiv davon.» Möglich sei das nur, weil die Schweiz und insbesondere Genf immer noch die wichtigsten Umschlagplätze für russische Rohstoffe seien.
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Bild 1 von 3. Die Vitol Group: Die Firma hat einen Sitz in Rotterdam (NED) und in Genf. Bildquelle: Keystone / Martial Trezzini.
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Bild 2 von 3. Hier zu sehen ist das Logo von Trafigura an der Rezeption des Büros in Genf. Bildquelle: Keystone / Salvatore Di Nolfi.
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Bild 3 von 3. Gunvor ist ein Ölhandelsunternehmen mit Sitz in Amsterdam, Singapur und Genf. Bildquelle: SRF / Martial Trezzini.
Die Schweiz trägt zwar alle EU-Sanktionspakete gegen Russland mit, hat aber ein Schlupfloch offengelassen. Anders als in der EU sind Rohstoffhändler in der Schweiz nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich auch ihre Tochterfirmen an die EU-Sanktionen halten.
Die Schweiz überlässt die Kontrolle von Verletzungen des Menschenrechts und Korruption den Firmen selbst.
Das sei standortpolitischer Opportunismus, findet Public Eye. Überhaupt kontrolliere die Schweiz zu wenig, ob Rohstoffhändler zu Verletzungen des Menschenrechts und Korruption beitrügen. Oliver Classen: «Da überlässt die Schweiz nach wie vor vieles den Firmen, statt klare Kontrollen zu verlangen, wie das andere Länder tun.»
Eine strenge Bankenregulierung gefährdet den Rohstoffhandelsplatz Genf
Mehr Kontrollen seien kaum mehr möglich, entgegnet Florence Schürch, Generalsekretärin von Suissenégoce, dem Verband der Schweizer Rohstoffhändler. «Mehr Kontrollen würden bedeuten, dass auf jedem Schiff ein Schweizer Funktionär stehen müsste.» Der internationale Rohstoffhandel müsse die Regulierungen der ganzen Welt einhalten.
Allerdings sind die Handelshäuser auch so aufgestellt, dass sie die international unterschiedlichen Regeln bestmöglich ausnützen. In Genf besonders wichtig für sie sind die Schweizer Banken. Um beispielsweise einen Öltanker um die halbe Welt zu schicken, sind kurzfristige Kredite in der Höhe von Dutzenden Millionen Schweizer Franken nötig – eine Spezialität der Schweizer Banken.
Weil die Banken für das Geschäft so wichtig sind, fürchtet sich die Vertreterin der Rohstoffhändler mehr vor strengen Auflagen für die Schweizer Banken als für die Handelshäuser selbst: «Wenn die Liquidität der Banken durch die Regulierung zu stark begrenzt wird, können sie den Rohstoffhandel nicht mehr finanzieren.»
Diejenigen Firmen, die Genf bereits verlassen haben, vor allem kleine Handelshäuser, die ohne EU-Sanktionen mit Russland handeln wollten. «Zu diesem Zeitpunkt haben wir keine Information über wichtige Wegzüge von Genf», sagt Nathalie Fontanet, die Genfer Finanzdirektorin.
Vorderhand dürften Genf und die Schweiz also noch kräftig am internationalen Handel mit Rohstoffen verdienen.