Dimitro gerät ins Schwärmen, wenn er von der Trainingswoche im nationalen Jugendsportzentrum in Tenero zu erzählen beginnt. Hier sei es so angenehm zu trainieren. Es sei ruhig und entspannt.
Es habe einfach alles, sagt der 16-jährige Judoka aus Kiew: grosse Sporthalle, Fitnesszentrum, Fussballfelder. Aber auch die Umgebung, die Natur, die Berge, das sei alles einfach nur «Wow», brillant und genial.
Für die 20 Buben und Mädchen wurde vom Nationalen Jugendsportzentrum (CST) ein attraktives Programm zusammengestellt. Auf dem Programm standen beispielsweise auch Velofahren oder Ausflüge in die Berge.
Ich lebe in Kiew neben einem Spital. Dauernd hört man Sirenen. Das macht Angst.
Aber auch das eigentliche Judotraining sei hier sehr entspannt möglich gewesen, sagt Dimitro. Denn er lebe in Kiew in der Nähe eines Spitals und höre immer die Sirenen, diese seien laut und machten Angst. Hier hingegen sei alles ruhig.
Das Judokateam ist aus dem Krieg entstanden
Das Team, das hier in Tenero trainiert, ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen und erst durch den Krieg in der Ukraine entstanden.
Viele von ihnen sind nach Kriegsausbruch aus ihren Dörfern und Städten in die Hauptstadt geflüchtet, wie beispielsweise der bald 17-jährige Gylb.
Kurz vor unserer Abreise ist eine Rakete nahe bei unserer Trainingshalle eingeschlagen.
Er verbrachte einige Zeit sogar in Polen, kehrte dann aber wieder in die Ukraine zurück, nach Kiew. Lange habe er mit dem Judotraining aussetzen müssen, sagt Gylb. Nun sei das in Kiew wieder möglich, aber immer wieder müsse man in die Luftschutzkeller flüchten, weil Raketeneinschläge drohten. Das mache ihm Angst.
Trainerin Olga Starubinska bestätigt die Eindrücke von Gylb. Die Situation in Kiew habe sich deutlich verschlechtert. Kurz vor der Abreise sei eine Rakete ganz in der Nähe ihrer Trainingshalle eingeschlagen.
Die Halle sei zwar nicht zerstört worden, aber es zeige, wie gefährlich die Situation sei. Wie stark die jungen Sportlerinnen und Sportler vom Krieg gezeichnet sind, wissen die Verantwortlichen des Jugendsportzentrums in Tenero nicht.
Ein bisschen Normalität
Es sei auch gar nicht möglich und auch nicht das Ziel, diese jungen Menschen innerhalb einer Woche von ihren Traumata zu befreien, sagt Steffen Niess, der beim Centro sportivo Tenero für die Organisation und Unterbringung von Gruppen und Sportklassen verantwortlich ist.
«Es geht darum, diesen Sportlerinnen und Sportlern Normalität zu vermitteln», sagt Niess. Damit sie wenigstens eine Woche in Ruhe trainieren könnten.
Wie sehen die Judokas die Zukunft der Ukraine? Was wird in einem Jahr sein? Trainerin Olga wartet auf den Sieg, wie sie sagt. Auch Dimitro hofft dies, glaubt aber nicht an ein schnelles Kriegsende. Den Glauben an seine persönliche Karriere hingegen gibt er nicht auf: «Ich will eine Legende werden.» Er werde Profijudoka und berühmt werden. Er wisse, dass das schwierig sei, aber es bleibe sein Ziel.