77 von 200 – so viele Frauen wurden am Sonntag in den Nationalrat gewählt. Es sind sieben weniger als vor vier Jahren. Und die Wahlsiegerin und grösste Partei im Land ist dabei nicht unbeteiligt.
Trotz neun zusätzlich gewonnenen SVP-Mandaten wird in der grossen Kammer eine Frau weniger Platz nehmen. Das überrascht nicht, wenn man etwas in die Vergangenheit zurückblickt. Die SVP hatte schon immer – mit einer Ausnahme 1991 – den geringsten Frauenanteil im Nationalrat.
Hat die SVP also ein Gleichstellungsproblem? SVP-Nationalrätin Stefanie Heimgartner findet die weibliche Untervertretung in ihrer Partei nicht weiter problematisch: «Bei uns kommt es auf die Kompetenzen, nicht aufs Geschlecht an», sagt sie.
Heimgartner merkt allerdings an, dass drei ihrer Kolleginnen nicht mehr angetreten seien, was sie bedaure. Und die drei neu gewählten SVP-Frauen Nina Fehr Düsel (ZH), Katja Riem (BE) und Vroni Thalmann-Bieri (LU) könnten den Frauenanteil – im Vergleich zu den 17 neuen SVP-Männern – auch nicht wirklich nach oben ziehen.
Der Wähler hat entschieden, wen er als Vertreter will.
Auch SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger pflichtet ihrer Amtskollegin bei: «Der Wähler hat entschieden, wen er als Vertreter will.» Das Geschlecht sei dem Wähler «total egal», sagt die Politikerin aus dem Kanton Basel-Landschaft. Der Wähler habe gesprochen, er habe recht, und das dürfe man nicht weiter hinterfragen, sagt sie. Sonst müsse man das auch beim reinen Frauenquartett aus Basel-Stadt tun, das in die grosse Kammer zieht.
Keine Bevorzugung
Männer und Frauen hatten in der Vergangenheit nicht gleich lange Spiesse. Während Männer seit 1848 in den Nationalrat gewählt werden können, dürfen das Frauen erst mit der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen seit 1971.
Dass weibliche Personen deshalb für den Einzug ins Parlament bevorzugt werden könnten, hält Sollberger sowohl in der Politik als auch bei der Arbeit für völlig falsch. Besonders bei ihr als gelernte Malerin – damals noch ein traditioneller Männerberuf – stellte sich die Geschlechterfrage nie. Sie sei als Mensch akzeptiert und respektiert worden. «Und das ist das, was zählt.»
Trotz der tiefsten Frauenquote im Parlament und gar einer Frau weniger in der kommenden Legislatur sind die Frauen der männlichsten Partei der Schweiz nicht unwichtig. «Die SVP hat verstanden, dass die Nachfrage der Wählerinnen und Wähler nach guten Frauen sehr gross ist», sagt Politologe Lukas Golder, Co-Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern.
Die SVP-Wählerschaft hat durchaus Signale gesetzt, dass Frauen sehr gut Stimmen machen.
Zwar verzichtete die SVP gemäss einer Auszählung von «Helvetia ruft!» im Gegensatz zu allen anderen Parteien auf deutlich mehr Frauen auf den Listen als noch vor vier Jahren. Doch das Beispiel der neu gewählten Zürcherin Nina Fehr Düsel zeige: «Die SVP-Wählerschaft hat durchaus Signale gesetzt, dass Frauen sehr gut Stimmen machen», so Golder.
Neben der neu gewählten Düsel könnte könnte die abgewählte Therese Schläpfer ihren Sitz doch noch behalten: Sollte im Kanton Zürich SVP-Mann Gregor Rutz in den Ständerat gewählt werden, könnte Schläpfer vor Domenik Ledergerber doch wieder in den Nationalrat nachrücken.
Ist bei der SVP also in Zukunft mit mehr Frauen im Parlament zu rechnen? Politologe Golder riskiert keinen Blick in die Glaskugel. Er glaubt aber, dass die SVP genau beurteilen werde, wie gross die Nachfrage nach Frauen in ihrer Wählerschaft ist. Sie reagiere nicht mit einer aktiven Frauenpolitik.