20 Jahre Bundespolitik sind es bei Ständerat Ruedi Noser (FDP/ZH) und Nationalrat Walter Wobmann (SVP/SO). 17 Jahre sind es bei Ida Glanzmann (Mitte/LU) und – verteilt auf zwei Tranchen – bei Roberto Zanetti (SP/SO). Politisches Engagement auf höchster Ebene, Einsatz zugunsten der Gesellschaft:
SRF hat vier langjährige Mitglieder des Parlaments aus allen Bundesratsparteien getroffen und mit ihnen Bilanz gezogen. Es zeigt sich: Unabhängig von der Parteipolitik haben nicht alle ihre Politik mit den gleichen Strategien verfolgt.
Walter Wobmann, der Abstimmungskämpfer
Seine grössten Erfolge feierte Walter Wobmann nicht im Bundeshaus, sondern an der Urne: Dreimal war er erfolgreich, auch mit Vorlagen, bei denen die SVP-Parteileitung zunächst abwinkte. Die Volksinitiativen für ein Minarettverbot (2009) und gegen die Gesichtsverschleierung (2021) fanden bei Stimmvolk und Ständen eine Mehrheit. Dazu kam das erfolgreiche Referendum gegen die Preiserhöhung der Autobahnvignette (2013). Das können in Bern nicht viele vorweisen.
Wobmann, Töff-Fahrer und Präsident des Motorradverbandes Swissmoto, sagt, das Motorrad beschreibe seine Politik ganz gut. «Man spürt den Wind, steuert alles selber, auch Gas und Bremse.» Freiheit sei das, und für die hat er auch politisch gekämpft.
Kritiker werfen Wobmann – meist hinter vorgehaltener Hand – billigen Populismus vor, er bediene mit einfachen Symbolen fremdenfeindliche Reflexe. Lösungen für grosse Probleme biete er nicht an. In den Kommissionen habe er selten Mehrheiten organisiert, oft «knallhart» politisiert.
Wobmann entgegnet, er spüre die Bevölkerung: «Ich rede auch eine Sprache, die die Leute verstehen.» Und so lief er im Abstimmungskampf, auf Tournee durchs Land, zur Hochform auf. Das sei intensiv gewesen, aber es habe sich «definitiv gelohnt», so Wobmann. «Ich konnte einen Beitrag leisten an unsere Gesellschaft, an unser schönes Land.» Dennoch bleibt der Eindruck, dass sich Walti – wie ihn die Töff-Kollegen nennen – in der Töffbeiz wohler fühlte, als Nationalrat Wobmann im Bundeshaus. Spuren hinterlässt er vor allem in der Bundesverfassung.
Ida Glanzmann, die stille Schafferin
Ida Glanzmann hat das Scheinwerferlicht in 17 Jahren nationaler Politik nie gesucht. Sie habe sich selten zu Geschäften geäussert, zu denen sie sich nicht fundiert äussern konnte, sagt sie. «Mir war wichtig, dann in der Öffentlichkeit aufzutreten, wenn ich ein Geschäft vertreten musste und wenn ich die Kompetenz dazu hatte. Es widerstrebt mir einfach, zu allem und jedem etwas zu sagen.»
Seit ihrer Anfangszeit im Nationalrat gehörte die gelernte Pflegefachfrau und Kauffrau der Sicherheitskommission an und präsidierte diese in den Jahren 2020 und 2021. Beim Kauf des F-35-Kampfjets kommt ihr eine zentrale Rolle zu. Jene, die mit ihr zusammengearbeitet haben, sagen über Ida Glanzmann, sie sei dossierfest, gesellig und kollegial; sie habe Ruhe in die Kommission gebracht.
Sie habe aber auch durchgreifen können, etwa als es um die Kampfjet-Beschaffung ging. Parteikollegin und Bundesrätin Viola Amherd habe sie dabei auch mal zu energisch verteidigt. Die Mitte-Bundesrätin war vor ihrer Wahl in die Landesregierung Ida Glanzmanns Sitznachbarin im Nationalrat.
Ida Glanzmann ist in ihrem Heimatkanton Luzern stark verwurzelt: Sie ist in Ebersecken aufgewachsen, wohnt heute im Nachbardorf Altishofen. Dort hat sie sich in den letzten Jahren auch als OK-Präsidentin der Seilzieh-WM engagiert, die Anfang September in Sursee stattgefunden hatte – «eine der schönsten Erfahrungen überhaupt in ihrem Politikerleben», sagt Ida Glanzmann. Doch nach ihrem Rücktritt zieht es sie in die weite Welt: Mit ihrem Mann plane sie derzeit verschiedene Reisen.
Ruedi Noser, der unkonventionelle Freisinnige
Ruedi Nosers Werdegang liest sich wie eine «Tellerwäscherkarriere»: Er war als zweitjüngstes Kind einer siebenköpfigen Familie in einfachsten Verhältnissen im Glarnerland aufgewachsen. Wegen seiner Legasthenie war er ein schlechter Schüler. Schon früh verliess er das Elternhaus und machte im Kanton Zürich eine Lehre. Er bildete sich zum Ingenieur weiter und gründete eine IT-Firma mit 500 Angestellten.
Zur Politik kam er erst später. Aber auch dort startete er durch: Zürcher Kantonsrat, Parteipräsident der Zürcher FDP, Nationalrat, Vizepräsident der nationalen FDP und 2015 schliesslich Ständerat für den Kanton Zürich.
Der heute 62-Jährige blickt zufrieden auf seine fast 25-jährige politische Laufbahn zurück. Er habe sich während der ganzen Zeit nie verbogen, meint Noser. Er sei immer unabhängig geblieben und gehöre keinem wichtigen Verband an. Dass er im Vorstand des mächtigen Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse ist und auch CS-Verwaltungsrat war, sieht er nicht als Widerspruch.
Noser nennt die Gründung des Innovationsparks auf dem ehemaligen Militärflugplatz Dübendorf, die Steuerreform STAF sowie die staatliche Unterstützung für KMU während der Corona-Zeit als seine grössten Erfolge. Abgesehen von seiner gescheiterten Bundesratskandidatur (Johann Schneider-Ammann machte damals das Rennen) sieht er in seiner Politkarriere keine Misserfolge. Dass Noser mit seiner Aktion «Avenir radical» in den Nuller Jahren die FDP grüner und weiblicher machen wollte und damit kläglich scheiterte, sieht er nicht als wirklichen Misserfolg, ebenso wenig den völlig verpatzten Wahlkampf 2007, der Nosers Handschrift trug und der FDP eine herbe Wahlniederlage bescherte. Er sei wohl der Zeit voraus gewesen, meint Noser.
Risikofreudig, unkonventionell und optimistisch – so könnte man Ruedi Nosers Naturell beschreiben – und politisch? Ist er nun progressiv oder konservativ? Ein verkappter Grüner oder doch knallharter Wirtschaftsfreisinniger? Noser gibt auch nach bald 20 Jahren in Bundesbern den Ratskolleginnen und -kollegen Rätsel auf. So bekämpfte er die Konzernverantwortungsinitiative, und sass gleichzeitig im Initiativkomitee der Gletscherinitiative. Für Noser ist das kein Widerspruch. Welche Pläne Noser nach seiner Politkarriere hat, lässt er offen. Nur so viel – Anzug und Krawatte sollen künftig öfters im Schrank bleiben.
Roberto Zanetti, ein Mann des Volkes
Roberto Zanetti hat in seinen 13 Jahren als Ständerat immer wieder mit pointierten Äusserungen für Schlagzeilen gesorgt. Kürzlich hat der 68-Jährige gar einen viralen Hit gelandet. In einer Sondersession zur Credit Suisse liess er seinen Emotionen freien Lauf und sprach in einer Rede von Bankstern und Klugscheissern von der Bahnhofstrasse. Zanettis Wutausbruch wurde auf den Sozialen Medien fleissig geteilt.
Zanetti konnte bei der Bevölkerung stets gut punkten. Erstmals fiel er 1996 über die Kantonsgrenzen hinaus auf: Damals sorgte er als Gemeindepräsident von Gerlafingen in einer spektakulären Vermittlungsaktion dafür, dass das örtliche Stahlwerk nicht geschlossen wurde. Diese Rettung war der Grundstein seiner politischen Karriere. Als Vermittler und Netzwerker trat er immer wieder über die Parteigrenzen hinweg in Erscheinung. In seiner letzten Herbstsession setzte er sich erneut für das Stahlwerk ein. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Motion angenommen, laut der die hiesige Stahlindustrie unterstützt werden soll.
Viele Gespräche brauchte es, um die Ständerätinnen und Ständeräte beim Thema Restwassermengen zu überzeugen. Als Präsident des Schweizerischen Fischereiverbands sorgte Roberto Zanetti mit viel Überzeugungsarbeit dafür, dass die Fische in den Schweizer Gewässern auch künftig genügend Wasser haben und das überschüssige Wasser nicht für die Stromproduktion verwendet wird. Zanetti kann, obwohl er oberster Fischer ist, übrigens kaum fischen und sagt hierzu jeweils: «Solange katholische Priester Ehevorbereitungskurse geben können, kann ich auch Fischerpräsident sein».
Künftig zahlt man bei einem grossen Lottogewinn die Steuern wahrscheinlich an dem Ort, wo man zum Gewinnzeitpunkt wohnte. Dies hat ebenfalls mit Zanetti zu tun. Im Kanton Solothurn verlegte der Gewinner eines 68 Millionen Franken Jackpots seinen Wohnsitz in die steuergünstigste Solothurner Gemeinde, um Steuern zu sparen. Das ärgerte Zanetti so sehr, dass er umgehend einen Vorstoss einreichte. Seinen letzten übrigens. Zanetti freut sich nun auf die leere Agenda und auf die kommende Langeweile. Denn Langeweile sei etwas Wunderbares, sagt der 68-Jährige.