In Basel-Stadt müssen amtierende Nationalrätinnen und -räte mehr um ihren Sitz zittern als in anderen Kantonen. Grund ist, dass Basel einen Sitz verliert. Statt fünf hat Basel-Stadt in Zukunft nur noch vier Sitze in der grossen Kammer.
In Basel-Stadt dreht sich vor der Wahl demnach alles um die Frage: Wer verliert seinen Sitz, wer muss über die Klinge springen? Diese Frage klärt sich erst am Wahltag, am 22. Oktober 2023.
Wie es sich anfühlt, an einem Wahltag als Verlierer oder Verliererin dazustehen und abgewählt zu werden, mussten in Basel-Stadt in jüngerer Vergangenheit schon mehrere Parlamentarier erleben. Aufgrund von Sitzverschiebungen gab es in Basel-Stadt in den letzten Jahren gleich mehrere Fälle. Es traf Politikerinnen und Politiker von links bis rechts.
Das steckt man nicht einfach so weg.
«Es war schon ein Schock», erinnert sich Daniel Stolz, ehemaliger FDP-Nationalrat, an den Wahltag im Oktober 2015. «Eine Abwahl ist quasi eine fristlose Kündigung und das in der Öffentlichkeit. Das steckt man nicht einfach so weg.»
Ganz überraschend kam die Abwahl nicht. Grund war die Kandidatur des damaligen Erziehungsdirektors Christoph Eymann von der LDP, die es nur noch in Basel gibt und eine Listenverbindung mit der FDP eingegangen war. Stolz verlor seinen Sitz an die Schwesterpartei der FDP.
Stolz ist nur ein Beispiel, gleich ging es Markus Lehmann (CVP), Sebastian Frehner (SVP), Christine Keller (SP) oder Anita Lachenmeier (Grüne). Lachenmeier erinnert sich nur ungern an den 23. Oktober 2011. Sie hatte damals gegen Markus Lehmann verloren, obwohl sie eigentlich mehr Stimmen machte als er. «Dass jemand gewählt worden ist von einer kleineren Partei und nur dank Listenverbindungen hat mich sehr geärgert», sagt Lachenmeier rückblickend.
Den Wahlsieger von 2011, Markus Lehmann, ereilte vier Jahre später notabene das gleiche Schicksal. Die Basler CVP verlor ihren Sitz im Nationalrat: Die Niederlage habe er schnell verdaut, erzählt er: «Das hat mich eine halbe Stunde gekostet. Ich fluchte und dann war das Thema für mich erledigt.»
Lehmann betont, es sei falsch, von einer Abwahl zu sprechen. Bei Proporzwahlen spielten Parteizugehörigkeit und Listenverbindungen die entscheidende Rolle und nicht die Person. «Ich nahm das nie persönlich. Es ist wie im Sport: Mal gewinnt man als Mannschaft, mal verliert man.» Und so rät Lehmann denn auch allen Bisherigen, die im Herbst antreten, sich schon heute mit dem Szenario Abwahl auseinanderzusetzen und sich zu überlegen, was danach kommen könnte.
Ich fluchte und dann war das Thema für mich erledigt.
Lehmann arbeitet seither als Berater und nützt die Kontakte aus seiner Zeit in der Politik noch heute. Lachenmeier stockte ihr Pensum als Lehrerin auf und kandidierte nochmal für einen Sitz im Kantonsparlament. Lehmann und Stolz dagegen verabschiedeten sich aus der aktiven Politik. «Ich habe noch am Tag der Abwahl alle Unterlagen aus dem Nationalrat geschreddert», gibt Stolz zu.
Rückkehr ins Bundeshaus mit Überwindung
Und obwohl er als ehemaliger Nationalrat noch immer über eine Zutrittsberechtigung zum Bundeshaus verfügt, sei er nur einmal dorthin zurückgekehrt: Bei der Debatte über die «Ehe für alle», für die er als Co-Präsident des Abstimmungskomitees gekämpft hatte. «Es brauchte eine gewisse Überwindung, wieder zurück ins Bundeshaus zu gehen», sagt Stolz.
Dies zeigt: Eine Abwahl ist ein einschneidender Moment, mit dem jeder und jede ganz unterschiedlich umgeht.