Weiblicher und linker ist die Stadt Bern nach den Wahlen vom Sonntag geworden. Die Zahlen sind eindrücklich:
- 55 der 80 Mitglieder des Stadtparlaments sind weiblich (+9 Sitze).
- 63.7 Wähleranteil haben die Linken (+1.9 Prozentpunkte).
Für die Bürgerlichen war der Wahlsonntag ein Debakel. FDP und SVP büssten je zwei Sitze ein. Zwar verloren auch die SP und die Grüne Freie Liste je einen, diese Sitze blieben jedoch bei den Linken. Die Sitze von FDP und SVP gingen primär an die Grünliberalen, einen an die Jungfreisinnigen.
Junge scheinen es besser zu machen
Die Jungen konnten indes bei den Wahlen in allen Lagern zulegen. Die Junge Alternative, die Jungen Grünliberalen und auch die Jungfreisinnigen verbuchten je einen zusätzlichen Sitz.
Wir bringen eher auf den Punkt, was wir wollen.
Was beim Freisinn die Älteren nicht schafften, gelang also den Jungen. Dank ihnen verliert die FDP im Stadtrat unter dem Strich nur einen Sitz. «Wir sind fassbarer und bringen eher auf den Punkt, was wir wollen», sagt die neu gewählte Florence Schmid der Jungfreisinnigen.
Die etablierte FDP stehe zwar für dieselben Werte ein, könne dies aber weniger gut rüberbringen. «Mit uns kann man sich wohl eher identifizieren», meint die Juristin mit Jahrgang 1990.
In Sachen Kommunikation seien die Jungen tatsächlich fit und pointiert, meint Politologe Mark Balsiger. Das Engagement derJungen in der Klubszene hole Junge ab: «Damit schaffen sie aber keine Trendwende.»
Zusammenarbeit mit der Mitte
Spätestens seit dem Jahr 2000 geht es für die FDP in der Stadt Bern nur abwärts. 2016 stagnierte ihre Sitzzahl im Stadtrat. Ihr Vertreter der Stadtregierung wurde jedoch abgewählt. Der Knick im Jahr 2000 scheint sinnbildlich.
Die Kurven von FDP und SVP haben in dem Moment zu sinken begonnen, als die Grünliberalen und auch mehrere grüne Parteien zulegten. Zwar verlor auch die SP damals, sie konnte sich in den letzten Jahren jedoch erholen.
Es stellt sich deshalb die Frage: Müssten sich die Bürgerlichen mehr in Richtung Mitte orientieren?
«Ja», sagt der gescheiterte SVP-Gemeinderatskandidat Thomas Fuchs. «Sonst werden wir noch schlechter.» Mit einem Bürgerlich-Grün-Mitte-Bündnis hätte man bei den Wahlen zwei Sitze in der Stadtregierung geholt, sagt auch FDP-Präsident Christoph Zimmerli.
Ein Bündnis mit der SVP würden unsere Wähler nicht verstehen.
Die GLP machte jedoch bereits vor den Wahlen die Türe zu und bekräftigt dies nun: «Ich würde nicht gerade sagen, dass dies politischer Selbstmord ist, aber unsere Wählerinnen und Wähler würden das nicht verstehen», sagt GLP-Präsidentin Gabriela Blatter.
Zwar sind die Linken in der Stadt Bern auch der GLP zu stark, das rechtfertige jedoch keinen Zusammenschluss mit der SVP, so Blatter. Ein Bündnis mit der FDP hingegen schliesst Blatter nicht gänzlich aus.
Der Berner FDP-Präsident Christoph Zimmerli gesteht ein: «Wenn wir künftig wieder gewinnen wollen, müssen wir uns anders positionieren.» Die Frage sei, ob man noch glaubwürdig sei, wenn man sich zu weit von der nationalen Partei bewegt.
Wenn wir künftig wieder gewinnen wollen, müssen wir uns anders positionieren.
Das scheint bereits in der Stadt Bern umstritten. Der gescheiterte FDP-Gemeinderatskandidat Bernhard Eicher ist skeptisch: «Man hat Überzeugungen und soll nicht andere Parteien kopieren.» Es gelte auch, die Stammwählerschaft nicht zu verlieren.
Kein Frauenproblem
Die Stammwählerschaft wird jedoch immer kleiner. An zu wenig Frauen scheint es nicht zu liegen. Zumindest bei der FDP nicht. Während die SVP keine einzige Frau stellt, sind von den acht FDP-Mitgliedern im Stadtrat sieben Frauen.