Als Leiter der Infektiologie am Kinderspital Zürich hat Christoph Berger Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen, die mit Verdacht auf Covid-19 eingeliefert werden. Auch für ihn ist klar: Nur selten haben sie mit schweren Verläufen zu kämpfen – doch es gibt sie. Im Gespräch schildert er seine Erfahrungen aus der Praxis.
SRF News: Wie oft benötigen Kinder wegen Covid Spitalpflege?
Christoph Berger: Es ist eine kleine Minderheit, die mit Covid ins Spital aufgenommen werden muss. Betroffen sind vor allem ganz kleine Kinder.
Laut der Ciao-Corona-Studie bleiben zwei Drittel der infizierten Kinder und Jugendlichen symptomlos. Das heisst aber auch, dass ein Drittel Symptome haben. Wie verläuft die Krankheit bei ihnen?
Jugendliche sind seltener asymptomatisch als Krippenkinder. Und Jugendliche haben ähnliche Symptome wie junge Erwachsene, insgesamt werden sie aber viel weniger hospitalisiert. Die kleinen Kinder haben oft unspezifische Symptome wie Fieber, Husten oder auch Durchfall. Das lässt sich kaum von anderen Virusinfektionen unterscheiden.
Wie häufig sind schwere Verläufe bei Kindern und Jugendlichen?
Nur in absoluten Einzelfällen kommt es zu einer schweren, akuten Covid-Erkrankung. Was wir davon abgrenzen müssen, aber auch schwer verlaufen kann, ist Pims. Die Krankheit kann nach einer Infektion auftreten und ist ein Zeichen einer Überreaktion des Immunsystems. Diese Kinder zeigen verschiedene Manifestationen, werden ins Spital aufgenommen und fast die Hälfte von ihnen muss kurzfristig auf die Intensivstation. Es ist ein schwerer und längerer Krankheitsverlauf, aber im Allgemeinen haben die Kinder eine gute Prognose. Typischerweise sind die betroffenen Kinder zwischen 3 und 12 Jahre alt.
Nur in absoluten Einzelfällen kommt es zu einer schweren, akuten Covid-Erkrankung.
Laut der Ciao-Corona-Studie haben rund zwei Prozent der infizierten Kinder und Jugendlichen Symptome, die mit Long Covid bei Erwachsenen vergleichbar sind. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Die Long-Covid-Definition wie bei den Erwachsenen gibt es bei Kindern nicht. In der Studie wurde geschaut, wie viele der Kinder, die Antikörper gegen das Virus gebildet haben, solche Symptome zeigen – und wie viele Kinder, die keine Antikörper haben, solche Symptome haben. Das Ergebnis: Zwei Prozent der Kinder ohne Antikörper haben ebenfalls solche Symptome – aber nicht wegen Sars-CoV-2.
Es bleiben zwei Prozent, die die Symptome vielleicht wegen Corona haben oder aus einem anderen Grund verzögert wieder fit werden. Ich bin nicht überzeugt, dass das wegen des Virus oder wegen der Gesamtsituation ist. Dieser Kindern müssen wir uns annehmen, egal was die Ursache für ihre Symptome ist. Bis jetzt weiss man aus diversen Studien, dass die Prognose bei diesen Kindern sehr gut ist.
Viele Eltern verweisen auf die Studie und sagen, dass Kinder kaum Symptome und nichts zu befürchten hätten. Muss man sich um Kinder keine Sorgen machen?
Im Vergleich mit den Grosseltern muss man sich um die Grosseltern sorgen, und nicht um die Enkel. Wenn wir aber die Krankheitslast bei den Risikogruppen durch die Impfung beseitigt haben und den Blick auf die gesunden Erwachsenen, Jugendlichen und Kinder richten – dann sind wir mit einer Krankheit konfrontiert, die selten zu Folgen führen kann.
Pims oder die seltenen schweren Covid-Verläufe bei Kindern sind häufiger als Masern. Gegen Masern impfen wir auch. Wir müssen allmählich von der «Ausnahmesituation Pandemie» in die Zukunft schauen, und ob es möglich ist, Kinder zu impfen. Dafür brauchen wir aber noch Studien.
Das Gespräch führte Rebecca Villiger.