Die Zuwanderung ist ein äusserst sensibles Thema. Die Wahlen haben das gezeigt. Dabei sind auch die Kontingente für Menschen aus Drittstaaten immer wieder ein Politikum. Der Bundesrat legt die Zahl fest, nach Konsultation der Kantone.
Bei den Kantonen hat man keine Freude an den Plänen der zuständigen Justizministerin, SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, die Kontingente zu reduzieren. So sagt der Präsident der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren, der Urner Regierungsrat Urban Camenzind, gegenüber Radio SRF: «Von Seiten der Kantone, von Seiten der Volkswirtschaftsdirektoren können wir da nicht jubilieren und sind auch etwas überrascht.»
Beträchtliche Reduktion möglich
Der Bundesrat hat für das aktuelle Jahr 2023 insgesamt 12'000 Bewilligungen für Menschen aus Drittstaaten und aus dem Vereinigten Königreich festgelegt. Die Kantone forderten die Beibehaltung dieser Bewilligungen. Doch nun zeigen Recherchen von Radio SRF, dass Baume-Schneider die beiden Kontingente zusammenführen und beträchtlich reduzieren will, auf insgesamt 9'600 Bewilligungen. Sie hat diesen Vorschlag verwaltungsintern den anderen Departementen zur Konsultation unterbreitet.
Das zuständige Justizdepartement kommentiert das nicht, es schreibt nur: «Der Bundesrat wird die Drittstaatenkontingente für 2024 in den nächsten Wochen festlegen. Die Zulassung erfolgt im gesamtwirtschaftlichen Interesse der Schweiz.»
Arbeitgeberverband sorgt sich um Spezialisten
Definitiv entschieden hat der Gesamtbundesrat noch nicht, aber man kann davon ausgehen, dass er dem Vorschlag von Baume-Schneider folgen wird – zur Enttäuschung auch des Arbeitgeberverbandes, wie Geschäftsleitungsmitglied Daniella Lützelschwab betont: «Dass der Bundesrat die Kontingentszahlen für Drittstaaten reduzieren will, enttäuscht uns, weil es sich hier um eine kleine Gruppe spezialisierter Arbeitnehmer handelt, die nicht in der Schweiz und nicht in der EU gefunden werden, und deshalb wichtig sind.»
Lützelschwab denkt vor allem ökonomisch. Wenn Firmen gewünschte Mitarbeiter nicht anstellen könnten, weil sie nicht dürfen, könnten Firmen auch abwandern, argumentiert sie.
Berücksichtigung gut qualifizierter Flüchtlinge
Einen anderen Blick auf die Problematik haben die Gewerkschaften. Man kann davon ausgehen, dass Baume-Schneider diese Perspektive teilt. Wenn Firmen weniger Mitarbeitende aus Drittstaaten rekrutieren können, steigt der Druck, gut qualifizierte Flüchtlinge, die bereits hier sind, besser zu integrieren.
Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund erlebt immer wieder, dass sich viele gut qualifizierte Flüchtlinge, die ebenfalls aus Drittstaaten kommen, auch besser integrieren wollten. Er spricht von bestens qualifizierten Flüchtlingen zum Beispiel aus dem Iran, die bei der Post aber lediglich eine Hilfsarbeit verrichteten und sich nicht weiter entwickeln könnten, weil ihnen vielleicht das Geld und allgemein die Unterstützung fehle.
Der Bundesrat entscheidet in den nächsten Wochen, ob er die Schraube bei der Einwanderung von Menschen aus Drittstaaten also etwas anziehen will. Dies sicher auch als Reaktion auf die allgemein aufgeladene Migrationsdebatte. Zum Missfallen der Kantone und der Wirtschaft, aber möglicherweise auch mit Blick auf die bessere Integration von Flüchtlingen.