Eine Mehrheit der nationalrätlichen Wirtschaftskommission findet, die wissenschaftliche Expertengruppe des Bundes, die «Swiss National Covid-19 Science Task Force», informiere zu oft, zu widersprüchlich, zu negativ. Den früheren Bundesparlamentarier und Präventivmediziner Felix Gutzwiller erstaunt nicht, wie es dazu gekommen ist.
SRF News: Haben Sie Verständnis dafür, dass die Wirtschaftskommission des Nationalrats einen «Maulkorb» für die Taskforce fordert?
Felix Gutzwiller: Wenn man die Geschichte der Covid-Taskforce anschaut, dann muss man sagen: Am Anfang war es ein vielstimmiger Chor. Jeder hat sich allein manifestiert, was zu einer Verunsicherung führte. Eine Taskforce macht dann Sinn, wenn man einen Team-Effort im Vordergrund hat und als Wissenschaftsgemeinschaft definieren will, was der Exekutive für ihre Entscheidungen hilft. Da kann es nicht sein, dass vom klinischen Infektiologen bis zum digitalen Epidemiologen, von der Ethikerin bis zum Wirtschaftswissenschaftler alle ihre eigene Meinung kundtun.
Als Gremium müsste man der Verwaltung zudienen. Das hat am Anfang mehr schlecht als recht funktioniert. Deshalb wundert mich diese Kritik nicht. Wenn man jetzt von einem «Maulkorb» redet, ist das ein fundamentales Missverständnis, wie Wissenschaft und Politik miteinander funktionieren sollen.
Was lief aus Ihrer Sicht falsch bei der Kommunikation der Taskforce?
Man hat wohl zu wenig überlegt, was die fundamentalen Unterschiede zwischen Wissenschaft und Politik sind. Wissenschaftler in einem solchen Gremium werden Teil eines Teams – mit der Aufgabe, der Verwaltung Entscheide zu erleichtern. Als Teil des Teams äussert man sich dann nicht, das macht der Präsident. Das ist so bei allen ausserparlamentarischen Kommissionen. Wenn sich ein Wissenschaftler äussert, muss klar sein: Ich tue das als Inhaber des Lehrstuhls Z an der Uni X – und nicht als Mitglied der Taskforce. Das wurde nicht unterschieden, weder in den Medien noch bei den Auftritten der Wissenschaftler.
Haben Sie eine Erklärung, warum das nicht funktioniert hat?
Man hat unter dem Druck der Krise diese Taskforce sehr rasch mit sehr vielen Leuten aufgestellt. Man hätte sich ein Beispiel nehmen können an anderen Beratungseinrichtungen. Das hat dazu geführt, dass man die Kulturen zu wenig zusammengebracht hat. Die Wissenschaftskultur ist auf den Einzelnen ausgerichtet. Jeder will zitiert und publiziert sein. Aber die Beratungsleistung in einem Gremium der Politik gegenüber ist eine andere Kultur.
Wie erklären Sie sich, dass es zu so einem Kommissions-Beschluss kam?
Ich denke, dass man jetzt, wo sich die Pandemie dem Ende zuneigt, seinem Unmut Platz verschafft. Eigentlich ist es nicht mehr der richtige Moment dafür. Denn in den letzten Monaten ist es ja eher ruhiger geworden. Mich erstaunen diese Reaktionen der Politiker nicht wirklich. Ich glaube aber nicht, dass es zu so einem «Maulkorb» kommt. Es sind Standardregelungen, die die Bundesverwaltung in der Zusammenarbeit mit externen Beratungsgremien hat.
Aber es ist doch wichtig, dass man die unterschiedlichen Meinungen der Wissenschaft hört?
Richtig, aber die Frage ist, wo und wann man sie hört. Wenn ich als Spezialist etwas sage, trage ich zu dieser Vielfalt bei. Wissenschaft muss man aber so einbinden, dass sie nicht mehr Ratlosigkeit produziert, sondern der Politik hilft. Die konsolidierte Meinung der Wissenschaftler steht dabei im Vordergrund und nicht die persönliche Profilierung.
Das Gespräch führte Stephan Rathgeb.