Gegensätzlicher könnten die Einschätzungen von Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern zum seit zehn Jahren geltenden Freihandelsabkommen mit China kaum sein.
«Es ist unbestritten, dass die Bilanz positiv ist», sagt etwa FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Er ist auch Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Gerade für chemische und pharmazeutische Produkte aus der Schweiz sei der Markt in China stark gewachsen.
Wir können uns nicht nur auf den EU-Raum konzentrieren – wir brauchen Diversifikation.
Auch Schweizer Präzisionsinstrumente seien in China immer mehr gefragt, genauso wie Uhren und andere Luxusprodukte, so Portmann. Das sei für die schweizerische Exportindustrie sehr wichtig. «Wir können uns nicht nur auf den EU-Raum konzentrieren – wir brauchen Diversifikation», betont er.
Unterdrückung von Minderheiten in China
Auf der anderen Seite steht Fabian Molina, SP-Nationalrat und ebenfalls Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Zwar hätten einige Exportbranchen profitiert. Doch: «Wenn man sich die makroökonomischen Daten anschaut, dann ist das Freihandelsabkommen mit China überbewertet», sagt er.
Gesamtwirtschaftlich sei das Abkommen für die Schweiz also gar nicht so bedeutend – vor allem, wenn man die politischen Kosten anschaue.
China hat sich bei den Menschenrechten in den letzten zehn Jahren in eine negative Richtung entwickelt.
So würden in China Menschenrechtsaktivisten, kritische Intellektuelle und Angehörige von ethnischen Minderheiten, wie etwa die Uiguren, immer stärker unterdrückt. «China hat sich in den letzten zehn Jahren in eine negative Richtung entwickelt, was den Schutz von Menschenrechten anbelangt», stellt Molina fest.
Abkommen mit China soll erweitert werden
Laut dem SP-Politiker wäre es besser, wenn sich die Schweiz mit anderen europäischen Staaten abstimmen würde. Gemeinsam könnte mehr Druck auf China ausgeübt werden, damit sich dort die Menschenrechtslage bessert.
Allerdings plant der Bundesrat, das Freihandelsabkommen mit China noch zu erweitern. Voraussichtlich im Herbst sollen die Verhandlungen dazu beginnen.
Dem Vernehmen nach soll das Freihandelsabkommen auf Bereiche wie den Dienstleistungssektor ausgeweitet werden. Und es sollen weitere Zölle abgebaut werden.
Kritik von Menschenrechtsorganisation
Das ruft Kritiker auf den Plan. Unter dem Titel «Rote Linie für die Schweiz» etwa reicht die Gesellschaft für bedrohte Völker eine Petition beim Bundesrat ein.
«Die Schweiz soll ihre Verantwortung wahrnehmen und sich bei den Verhandlungen für die Menschenrechte starkmachen», sagt Anna Leising, Geschäftsleiterin der Organisation.
Diskreter Dialog am runden Tisch?
FDP-Nationalrat Portmann allerdings betrachtet das als Aktionismus, der nichts an der Realität in China ändere. Er setzt mehr darauf, dass die Schweiz dank des Freihandelsabkommens einen guten Zugang zu chinesischen Regierungsstellen erhalte und hinter verschlossenen Türen schwierige Themen ansprechen könne.
«Am runden Tisch des Menschenrechtsdialogs kann man sehr wohl vieles miteinander besprechen und das Verständnis für die eine oder andere Position fördern», betont Portmann. Noch in diesem Jahr werde erneut eine Parlamentarierdelegation aus der Schweiz nach Peking reisen und auch solche Gespräche führen.
Diskrete Diplomatie oder mehr Druck und eine klarere Haltung? Über den richtigen Weg in der Schweizer China-Politik wird auch zehn Jahre nach Abschluss des Freihandelsabkommen weiter gerungen.