Im Zuge der Klimadiskussion ist die Nachfrage nach Nachtzügen gestiegen. Mitte Dezember haben die ÖBB mit dynamischen Preisen die Nachtzug-Billette jedoch teils massiv erhöht. Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes erklärt, welche Zukunft Nachtzüge noch haben können.
SRF News: Sind Nachtzüge rentabel?
Thomas Sauter-Servaes: Langfristig können Nachtzüge rentabel sein, aber aktuell weniger. Einerseits bekommt man in einen Nachtzug nicht genügend Passagiere hinein im Vergleich zu einem Hochgeschwindigkeitszug. Andererseits hängt es von den Preisen im Luftverkehr ab: Solange Fliegen günstig ist, gibt es wenig Chancen, mit höheren Preisen in Nachtzügen auf schwarze Zahlen zu kommen.
Wie effizient sind Nachtzüge?
Das wesentliche Problem ist die Produktivität. Wir arbeiten an einem Projekt in Österreich, wo wir nach einer neuen Tag-Nacht-Zugkombination suchen. Die Frage ist: Wie kann man Rollmaterial konstruieren, das in der Nacht, aber auch am Tag sinnvoll einsetzbar ist? Was dabei herauskommt, könnte ein Blick in die Zukunft sein, wie Züge aussehen werden, die dann produktiver einsetzbar sind.
Es können spezielle Sitze sei, die in der Nacht als Liegesessel einsetzbar sind.
Wie sehen diese Züge aus?
In den Zügen muss man nachts angenehm schlafen können, sie müssen aber auch tagsüber einsetzbar sein. Es braucht also nicht nur Betten, sondern spezielle Sitze, die als Liegesessel einsetzbar sind, wie man das aus der Business-Class im Luftverkehr kennt. Aber Lösungen aus dem Luftverkehr lassen sich nicht 1:1 in einen Nachtzug transformieren.
Aber etwa Einzelkabinen mit Dusche wären wohl kaum geeignet, obschon solche Angebote ein finanzstärkeres Publikum in die Nachtzüge bringen könnte?
Die grosse Frage ist, inwieweit luxuriöse Angebote die Lösung für den Nachtzug der Zukunft sind. Man könnte sehr lange Züge bilden, für verschiedene Zielgruppen und so verschiedene Angebote in einem Zug bündeln – und dann bezahlt man für diesen einen Zug nur einmal die Trassenkosten.
Wie wirkt sich die Länge der Strecken aus? Oder wie viele Stunden kann der Zug einen Vorteil gegenüber dem Flugzeug ausspielen?
Der Nachtzug befindet sich wirtschaftlich in einer «Sandwichposition». Von oben drückt der Luftverkehr, von unten der Hochgeschwindigkeitsverkehr. Das Problem für den Nachtzug ist: Je mehr Kilometer er fährt, desto höher sind die Trassenkosten – also der Preis, wenn ein Zug eine bestimmte Bahninfrastruktur benutzt. Das ist der grosse Unterschied zum Luftverkehr, der am Anfang hohe Kosten hat, um einmal in die Luft zu kommen, dann aber jeder weitere Kilometer nicht mehr gross ins Gewicht fällt.
Erst wenn es gleich lange Spiesse bei den Klimakosten gibt, hat der Nachtzugverkehr eine echte Chance gegenüber dem Luftverkehr.
Sind die Spiesse gleich lang zwischen Nachtzug und Flugverkehr?
Nein, es gibt natürlich keine gleich langen Spiesse. Aktuell sind noch nicht alle CO₂-Kosten im Luftverkehr vollkommen eingeschlossen. Erst wenn es gleich lange Spiesse bei den Klimakosten gibt, hat der Nachtzugverkehr eine echte Chance gegenüber dem Luftverkehr.
Die ÖBB sind in die Kritik geraten, weil sie auf dynamische Preise setzen. Ist diese Kritik berechtigt?
Die Kritik bezog sich weniger auf das dynamische Tarifsystem als auf die plötzlich sehr hohen Preise für bestimmte Angebote, die vorher bedeutend günstiger waren. Langfristig wird man ein flexibles System auf jeden Fall sehen. Es ist richtig, dass man sich flexibel an die Nachfrage anpasst. Das kennt man aus vielen anderen Bereichen und der Nachtzugverkehr tut gut daran, wenn er dieses System auch einführt.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.