- Für Bundesrat und Parlament geht die Pflege-Initiative zu weit. Sie unterstützen deshalb den Gegenvorschlag.
- Die Initiative verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege fördern und der Bund die Arbeitsbedingungen regelt.
Auch Regierung und Parlament wollen den Pflegeberuf weiter stärken. Sie «lehnen die Initiative jedoch ab, weil sie in einem Punkt zu weit geht», sagte Bundesrat Alain Berset von den Medien. Es sei nicht am Bund, Arbeitsbedingungen zu regeln.
Gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne sind zwar wichtig, damit der Pflegeberuf attraktiv ist und die in der Pflege tätigen Personen möglichst lange im Beruf verbleiben, wie das Eidgenössische Departement des Innern EDI, in einer Mitteilung schrieb. Dafür sollten aber weiterhin Spitäler, Heime und Spitexorganisationen sowie die Kantone und die Sozialpartner gemeinsam sorgen.
«Ausbildungsoffensive»
Das Parlament hat einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet, der die wichtigsten Forderungen der Initiative aufnimmt und eine raschere Umsetzung ermöglicht. Um die Ausbildung zu fördern, stellen Bund und Kantone für die nächsten acht Jahre rund eine Milliarde Franken zur Verfügung. «Diese Ausbildungsoffensive ist ein geeignetes Mittel, um dem Mangel an Personal zu begegnen», sagte Martin Pfister, Vorstandsmitglied der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK).
Das will die Pflege-Initiative
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Die Volksinitiative verlangt, dass Bund und Kantone für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität sorgen. Sie sollen sicherstellen, dass genügend diplomiertes Pflegepersonal für den zunehmenden Bedarf der alternden Gesellschaft zur Verfügung steht.
Die in der Pflege tätigen Personen sollen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden. So soll der Bund die Arbeitsbedingungen in den Spitälern, Heimen und Spitexorganisationen verbindlich regeln. Dazu zählt die Höhe der Löhne.
Zudem sollen Pflegefachpersonen gewisse Pflegeleistungen selbständig direkt mit der obligatorischen Krankenpflegeversicherung oder anderen Sozialversicherungen abrechnen können. Heute können sie grundsätzlich nur die Leistungen abrechnen, die von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet worden sind.
Gesundheitsminister Berset wies darauf hin, dass der Gegenvorschlag auch die Forderung der Initiative aufgenommen hat, dass Pflegefachpersonen gewisse Leistungen direkt zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen können. «Das ist eine bedeutende Änderung», sagte Berset. Sie trage auch zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei.
Abstimmung am 28. November
Über die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» wird am 28. November abgestimmt. Der indirekte Gegenvorschlag tritt in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird.
Die Kantone empfehlen ebenfalls, die Initiative abzulehnen und den indirekten Gegenvorschlag zu unterstützen. Der Handlungsbedarf zur Stärkung des Pflegeberufs ist aus ihrer Sicht unbestritten. Es sei jedoch der falsche Weg, die Stärkung einer einzelnen Berufsgruppe auf Verfassungsebene zu verankern. Mit dem Gegenvorschlag liege eine verbindliche und rasch umsetzbare Vorlage zur Entschärfung des Fachkräftemangels auf dem Tisch.
Dem Initiativkomitee geht der Gegenvorschlag hingegen zu wenig weit. Die Investitionen des Parlaments in die Ausbildung würden verpuffen, weil über 40 Prozent der Pflegenden nach wenigen Jahren wieder aus dem Beruf aussteigen würden, argumentiert das Komitee. Es fehlten Massnahmen, die die Pflegequalität sichern und die Arbeitsbedingungen verbessern würden.
Viele Pflegepersonen in Alters- und Pflegeheimen möchten weg
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Nur etwa die Hälfte des Betreuungspersonals in Alters- und Pflegeheimen ist mit dem Lohn zufrieden. Ein Viertel erwägt, den Beruf zu wechseln. Das zeigen Zahlen aus dem Jahr 2018. Mittlerweile dürfte der Befund noch alarmierender sein.
Dabei wären 84 Prozent der damals befragten Pflegenden an sich mit ihrer Arbeitsstelle zufrieden, wie eine neu veröffentlichte Erhebung des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) zeigt.
22 Prozent des Personals ist aber unzufrieden mit den Arbeitszeiten, und 24 Prozent sehen sich ausserstande, die notwendige Pflege bieten zu können. 24 Prozent klagen über Erschöpfung, 22 Prozent haben starke Rückenschmerzen. Und 22 bis 40 Prozent des Personals sieht sein Privatleben mehr oder weniger stark durch die Arbeitsbelastung beeinträchtigt.
Je besser die Fachausbildung und je grösser die Verantwortung, umso stärker werden die Beeinträchtigungen empfunden: Während 24 bis 26 Prozent des Pflegepersonals der Tertiärstufe oder mit Fähigkeitszeugnis erwägen, den Bereich zu wechseln, tun das nur 15 Prozent des ungelernten Hilfspersonals.
Die Zahlen aus dem Jahr 2018 zeigen, dass das Pflege- und Betreuungspersonal in Alters- und Pflegeheimen bereits vor der Pandemie stark unter Druck stand. Die Pandemie hatte gemäss Obsan-Bericht «zweifellos einen negativen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den Alters- und Pflegeheimen».
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SRF 4 News, 12.10.2021, 11:00 Uhr
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