Strom droht knapp zu werden und die Preise werden an vielen Orten in der Schweiz stark ansteigen. Solaranlagen auf Dächern sind deshalb so gefragt wie noch nie. Der Branchenverband Swissolar rechnet im laufenden Jahr mit einem neuen Allzeitrekord: Allein auf Dächern von Mehr- und Einfamilienhäusern werden dieses Jahr Anlagen mit einer Leistung von 380 Megawatt gebaut, schätzt der Branchenverband. Das wäre über dreimal mehr als noch 2018.
Es könnten aber noch viel mehr sein. Denn wegen massiver Lieferschwierigkeiten und zu wenig Fachleuten kommt die Branche gar nicht nach mit dem Bau von neuen Anlagen. Typisch auch, dass Anlagen zwar gebaut werden, aber noch nicht angeschlossen werden können, weil das Material fehlt. So steht zum Beispiel in Seltisberg (BL) auf dem Dach eines Kinderheimes eine fertige Anlage, die seit Mitte Juli umgerechnet 20 Haushalte mit Strom versorgen könnte, doch bis heute fliesst kein Strom.
Abhängigkeit von China rächt sich
Es fehlt ein simpler Kippschalter, sagt Thomas Tribelhorn von der Solarfirma Adev, welche die Anlage baut. «Wir sind schon jahrelang in diesem Business tätig. Es ist das erste Mal so schlimm.» Es dauere nicht nur lange, bis Teile da seien, es könne oft auch niemand einen Liefertermin nennen.
Es räche sich jetzt, dass viele Bestandteile praktisch nur noch in China hergestellt würden und man dort nicht zuletzt wegen der strengen Corona-Politik nicht nachkomme mit der Produktion. Zudem fehle es auch an Fachpersonal, um auf den Boom reagieren zu können.
Viele Solar-Unternehmen sind dermassen am Anschlag, dass sie aufgehört haben, überhaupt noch Offerten zu erstellen. Das hat gerade diese Woche ein Test der Fernsehsendung «Kassensturz» gezeigt.
Obligatorium ab 2024 gefordert
Trotz all dieser Probleme möchte die zuständige Kommission des Ständerats jetzt für Neubauten ein Obligatorium: Wer ab 2024 ein Haus baut, soll eine Solaranlage auf dem Dach installieren müssen. Für Kommissionspräsidentin Elisabeth Baume-Schneider (SP/JU) kein Widerspruch: «Man kann nicht einfach warten, nur weil man denkt, es ist schwierig. Es ist wichtig, dass die Politik endlich ein Zeichen setzt.» Zudem werde das Obligatorium pragmatisch umgesetzt, sollte der Markt sich bis dann nicht sowieso schon von selbst erholt haben.
Niemand werde also wegen Lieferschwierigkeiten von Solaranlagen bei seinem Hausbau gebremst. Zudem möchte die jurassische SP-Ständerätin dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden, damit die Produktion von Solarpanels wieder zurückkommt nach Europa. So soll die Abhängigkeit von China verringert und das Problem der Lieferschwierigkeiten entschärft werden.
Noch ist das Obligatorium für Solaranlagen für Neubauten ab 2024 nicht beschlossen. Nach der Kommission müsste auch noch das Parlament Ja dazu sagen.