Mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft und dem Ausstieg aus dem Shutdown nach der Corona-Pandemie würden jetzt politische Entscheide gefällt, die auch für das Klima von grösster Wichtigkeit seien, sagt Aktivist Jonas Kampus. «Wir fordern, dass die beiden Krisen gemeinsam angegangen werden. Wir haben nicht die Ressourcen, sie getrennt zu behandeln.»
Das Ziel: Den CO2-Ausstoss der Schweiz bis 2030 auf netto Null zu senken – das ist 20 Jahre früher, als es der Bund vorsieht. Die jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten schlagen dazu 17 Massnahmen vor.
Ansetzen wollen sie etwa beim Verkehr: So fordern sie ein Verbot von Passagier- und Transportflügen innerhalb Europas, Emissionsobergrenzen für die Luftfahrt und autofreie Städte. Weitere Forderungen sind etwa eine Solarpflicht oder die Einführung der 32-Stundenwoche bei gleichem Lohn.
Wissenschaft versus Machbarkeit
Finanzieren könnte man das laut Kampus zum Beispiel mit der Besteuerung fossiler Energien. Ein radikaler Wirtschafts- und Gesellschaftsumbau zugunsten des Klimas – ein utopischer Wunschkatalog oder umsetzbar?
Die Aktivistinnen und Aktivisten würden die Finger auf die wunden Punkte legen, sagt Klimaforscher Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich. Denn die Schweiz sei nicht auf Kurs, was die Senkung des CO2-Ausstosses betreffe, auch nicht mit der aktuellen Revision des CO2-Gesetzes. «Es ist berechtigt, dass der Aktionsplan mehr fordert. Denn die CO2-Emissionen müssen deutlich schneller runter, als sie es jetzt tun», so Knutti.
«Der Plan zeigt auch die richtigen Punkte auf, etwa beim Strassenverkehr und bei den Flugreisen. Aber auch die Frage, wie wir die Konjunkturprogramme nach Corona ausgestalten, ist entscheidend», so der Professor weiter. Bloss: Die wissenschaftliche Evidenz und die politische Machbarkeit seien zwei verschiedene Dinge: «Natürlich werden die Massnahmen in dieser direkten Form, in der sie gefordert werden, schwer umsetzbar sein.»
Gegenwind aus dem Parlament
Ähnlich klingt es in der Politik. Zum Beispiel bei Jürg Grossen, Parteipräsident der Grünliberalen und Nationalrat. Er hat viel Verständnis für die Anliegen der Klimajugend. Doch: «Die ganze Sache sollte nicht gegen die Wirtschaft, sondern mit der Wirtschaft umgesetzt werden, sonst scheitern wir auf jeden Fall», warnt er. Ihm persönlich geht das Flugreiseverbot in Europa zu weit.
Realpolitisch sehe ich für das Papier null Chancen.
FDP-Ständerat Damian Müller kann die Grundanliegen der Klimajugend ebenfalls nachvollziehen. Aber die vorgeschlagene Art der Umsetzung lehnt er ab: «Realpolitisch sehe ich für das Papier null Chancen.»
Vielmehr müsse das CO2-Gesetz im Sommer verabschiedet und dann umgesetzt werden, so Müller. Denn nur so liessen sich Bevölkerung und Wirtschaft beim Klimaschutz einbinden – ohne Verbotskultur.
Die Realpolitik lässt die Klimajugend also abblitzen. Doch die Aktivistinnen und Aktivisten wollen weitermachen. Vorerst im Netz und so bald wie möglich auch wieder auf der Strasse.