In Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen dürfen keine neuen Unterkünfte gebaut werden. Dieses seit 2016 geltende Verbot soll nicht angetastet werden. Doch bei bereits vorhandenen, älteren Wohnungen will eine Mehrheit des Nationalrats die bisherigen Einschränkungen lockern.
Ältere Wohnungen oder Häuser dürfen bei einem Umbau auch erweitert werden, um maximal 30 Prozent. Wer hingegen sein Haus abreisst und neu aufbaut, darf die Fläche nicht vergrössern. Das bringe den Besitzerinnen und Besitzern Probleme, sagt Bruno Maranta, Experte für Zweitwohnungen beim Kanton Graubünden. Eine unmoderne Wohnung oder ein zu kleines älteres Haus seien schwer zu vermieten oder oft nur unter Wert zu verkaufen.
Ohne flexiblere Gesetzgebung wird kaum mehr in die alten Häuser investiert und sie verfallen.
«Das ist vor allem in peripheren Regionen die Gefahr, aber nicht in der Nähe der Agglomerationen», stellt Maranta fest. Das fördere zugleich die Abwanderung in den Berggebieten, denn Einheimische zögen dann lieber in eine Gegend mit einem höheren Wohnstandard. Ohne flexiblere Gesetzgebung investiere kaum jemand mehr in diese alten Häuser, die in der Folge verfallen würden.
Durch die Anpassung des Gesetzes könnte laut Maranta die grössere Wohnfläche innerhalb der Bauzone auch in zwei Wohnungen unterteilt oder zu zwei Häusern aufgebaut werden: «Wenn man mehrere Personen auf die gleiche Fläche bekommt, ist das ein Vorteil sowohl für die touristische Entwicklung und die Wertschöpfung als auch für neues Leben im Dorf.»
Der grosse Streitpunkt
In die zusätzlichen Wohnungen dürften auch Feriengäste einquartiert werden. An diesen Zweitwohnungen entzündete sich heute eine intensive Debatte im Nationalrat. Die bürgerliche Seite sah in der Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes nur Vorteile für die Einheimischen: mehr Wohnraum, mehr Tourismus und damit mehr Einnahmen.
Das öffnet Tür und Tor für Spekulation in diesem lukrativen Geschäft.
Doch für Linke und Grünliberale bringen Zweitwohnungen nichts als Probleme in die Berggebiete. Vor allem noch mehr leerstehende Ferienwohnungen, warnte SP-Nationalrätin Gabriela Suter: «Die einheimische Bevölkerung findet immer weniger günstigen Wohnraum und wird zur Abwanderung gedrängt. Die Gemeinden werden zu Geisterdörfern.»
Der Druck, Wohnungen in Zweitwohnungen umzuwandeln, werde massiv erhöht, doppelte Parteikollegin Martina Munz aus dem Kanton Schaffhausen nach: Das öffne Tür und Tor für Immobilienspekulation im lukrativen Geschäft mit Zweitwohnungen.
Hälfte soll als Erstwohnung klassiert werden
Ihr Appell wurde erhört. Der Nationalrat unterstützte ihre Forderung, mindestens die Hälfte aller neuen und erweiterten Bauten als Erstwohnungen zu bestimmen.
Ein ähnlicher Vorschlag des Bundesrats und einiger Parlamentarier kam nicht durch. Als Walliser finde er die Diskussion etwas seltsam, erklärte SVP-Nationalrat Michael Graber: «Es ist für mich immer wieder aufs Neue erheiternd, wie lauter Nichtbetroffene den Direktbetroffenen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben.»
Am Schluss wurde die Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes angenommen. Für alle älteren Wohnungen oder Häuser soll dasselbe gelten. Ob Umbau, Sanierung oder Abriss und Neubau – in allen Fällen soll eine Erweiterung um maximal 30 Prozent künftig erlaubt sein. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.