Was wollen Sie über die Wahlen in Deutschland wissen? Unsere Expertenrunde hat Ihre Fragen von 11 bis 13 Uhr live im Chat beantwortet.
Chat-Protokoll:
Wenn Ausländer wählen dürfte, welche Partei wäre vorne? Danke
Stefan Reinhart: Dazu habe ich leider keine verlässlichen Umfragen gefunden.
Magdalena Breyer: Es gibt zwar keine repräsentativen Umfragen darüber, wie die ausländische Bevölkerung abstimmen würde. Allerdings gibt es Studien unter Menschen mit Migrationshintergrund, von denen in Deutschland ungefähr 60 Prozent nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben und somit nicht wahlberechtigt sind. Bei diesen Studien (https://www.dezim-institut.de/aktuelles/wie-waehlen-menschen-mit-migrationshintergrund/) liegt meist die SPD vorne und die AfD schneidet eher schwach ab.
Wie könnte sich die CH Regierung verhalten, sollte die #AfD an einer Regierungsbildung beteiligt werden? zB. CDU / AfD
Stefan Reinhart: Dass die AfD einer nächsten Regierung in Berlin angehört, ist ausgeschlossen. Aber als theoretischer Ansatz: Natürlich würde die Schweiz zu Deutschland weiterhin gute Beziehungen pflegen. Wie das dann konkret aussehen würde – auch auf der persönlichen Ebene –, ist schwer vorherzusagen.
Aktuell treten alle Kandidaten ja vor jedem Mikrofon auf, dass es noch gibt. Weiss man ob dies noch hilft oder «beeinflusst» oder ist es bei der deutschen Bevölkerung so, dass sie eh schon lange wissen, was sie wählen?
Stefan Reinhart: Derzeit geht man davon aus, dass noch rund 30 Prozent der Wählenden unentschlossen sind – das sind so viele wie noch nie. Insofern wird der Wahlkampf bis zur letzten Sekunde geführt werden.
Die Linke will ja unbedingt die 5%-Hürde schaffen, um in den Bundestag zu kommen. Von den drei Direkt-Mandaten über die Wahlkreise (Erststimme), die der Partei ebenfalls ihren Sitz im Bundestag sichern würde, wird nie gesprochen – weil es zu unrealistisch ist?
Stefan Reinhart: Da wird sehr wohl darüber gesprochen. Die «Mission Silberlocke» mit drei altgedienten Linken-Politikern wie zum Beispiel Gregor Gysi hat genau das Ziel, über drei Direktmandate in den Bundestag zu kommen. Wobei: Es ist natürlich eleganter und politisch wertvoller, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.
Wie kann Deutschland zur Vernunft gebracht werden aufzuhören den Ukrainekrieg zu unterstützen und Waffen zu liefern im Angesicht dass Waffen töten als wären sie blind? Wo sind all diese unterdrückten Stimmen?
Sophie Suda: Unterdrückt werden die Stimmen m. E. nicht. Das Parteienspektrum bildet unterschiedliche Meinungen zum Ukrainekrieg wieder. Einige Parteien sind für uneingeschränkte Waffenlieferungen, einige nur für bestimmte Waffentypen, andere wollen gar keine Waffen liefern. Welche Meinung sich in der nächsten Regierung durchsetzt, hängt also von der Parteienkonstellation ab.
Laut Umfragen beträgt der Wähleranteil der AfD momentan rund 20%, knapp 17 Millionen Menschen. Kann eine Regierungsbildung in einer Demokratie, mit kompletter Ausschliessung von einer so grossen Partei, gerechtfertigt werden? Und würde dies nicht nur noch mehr die Polarisierung verstärken und somit der Partei noch mehr Wähler beisteuern?
Magdalena Breyer: Es ist im europäischen Vergleich nicht ungewöhnlich, dass demokratische Parteien nicht mit rechtsradikalen oder, wie im Fall der AfD, sogar in grossen Teilen rechtsextremen, Parteien zusammenarbeiten. Eine Regierungsbildung mit der AfD würde wohl von den demokratischen Parteien abverlangen, dass diese Grundprinzipien wie Menschen- und Minderheitenrechte, die Unabhängigkeit der Justiz oder die Wissenschaftsfreiheit infrage stellen. Das würde auch die Polarisierung erhöhen, da wir wissen, dass die Mehrheit diese demokratischen Prinzipien verteidigt. Man kann hier also nicht nur über die Grösse oder die Stimmenanteile der Partei ihre Einbindung legitimieren, sondern muss auch die Konsequenzen für das demokratische System betrachten. Aber man kann schon sagen, dass eine Zuspitzung des Wahlkampfes auf die alleinige Frage des Umgangs mit der AfD wohl in beide Richtungen polarisiert.
Täuscht es mich oder hat Olaf Scholz nun wieder gute Chancen? Wagen Sie eine Prognose?
Stefan Reinhart: Da wäre ich äusserst skeptisch. Die SPD liegt derzeit in Umfragen bei plus/minus 15 Prozent. Stand heute ist eine weitere Kanzlerschaft von Olaf Scholz unmöglich. Zusammen mit Grünen und Linken käme so ein Bündnis nur auf etwa 35 Prozent, was nicht reicht.
Danke für das angebot. Laienfrage: wählt deutschland den bundestag oder auch direkt einen kanzler, eine kanzlerin? Oder wird das amt dann durch den bundestag gesetzt?
Sophie Suda: Deutschland ist eine sogenannte parlamentarische Demokratie, das bedeutet, dass die Bevölkerung nur das Parlament, also den Bundestag wählt. Dieser wählt dann den Kanzler, der natürlich von einer Mehrheit im Bundestag bestätigt werden muss. Deshalb kann es auch noch etwas dauern, bis der Kanzler offiziell gewählt wird, da das erst das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen und Mehrheitsfindung ist.
Hallo, Stefan Reinhart Meine Frage. Euer ständiges Gehetze gegen die AFD (und gegen alles rechts der Antifa) Glaubt Ihr, dass irgendein nicht Linker Euch noch ernst nehmen kann?
Stefan Reinhart: Danke für die Frage! Wie kommen Sie auf Hetze! Wir bilden ab, was ist. Stellen klar, wo die AfD politisch steht, was ihre Ziele sind und wer ihre Vertreterinnen und Vertreter.
Warum müssen Staatsangestellte keine Rentenzahlungen leisten,sowie in der Schweiz AHV? Deutschland würde entschieden viel besser gehen. Danke für die Antwort.
Stefan Reinhart: Das fordern tatsächlich einige in Deutschland. Das Rentensystem wurde nach dem Zweiten Weltkrieg installiert – und tatsächlich ist es für viele unverständlich, dass zum Beispiel Beamte keine Rentenbeiträge leisten müssen – und erst noch einen höheren Rentensatz haben als andere. Die AfD macht sich stark dafür, in dieser Frage eine Einheit herzustellen.
Ich habe in letzter Zeit die Wahlen in Deutschland intensiv verfolgt und mache mir Sorgen um die Zukunft mit einem wichtigen Partner der Schweiz. Die AfD profitiert zunehmend von den Altparteien, die sich in wichtigen Themen wie der Migration, Wirtschaft und Klimakrise nicht einig werden. Die Bevölkerung sieht dies und wählt den Ausweg aus der Krise mit der Alternative. Ich glaube, dass sich die Differenzen zwischen den Parteien nur schwer vermeiden lassen und dass das vermehrt so weiter gehen wird. Glauben Sie an die Zusammenarbeit einer Koalition und deren Glaubwürdigkeit an die Bevölkerung, um die AfD wieder abzuschwächen?
Magdalena Breyer: Es ist, denke ich, nicht realistisch oder gar wünschenswert, dass sich die anderen Parteien in allen Belangen einigen. Im Gegenteil bieten diese inhaltlichen Differenzen zu Wirtschaft und Klimakrise den Wählenden ja ein Angebot. Natürlich müssen die Parteien in einer Koalition dann Kompromisse eingehen. Aber insgesamt ist es in Deutschland, vielleicht auch im Gegensatz zur Schweiz eher so, dass die Parteien sich auch ausserhalb des Wahlkampfes versuchen ihre Einzigartigkeit herauszustellen, damit sie z. B. auch als Juniorpartner in einer Koalition nicht ganz untergehen. Das muss nicht per se schädlich sein, aber eben mit der Bedingung, dass Kompromisse von einer Regierung gemacht und auch umgesetzt werden können.
Eine Frage zur Remigration Wie ernst ist die Lage einzuschätzen bzgl. der Remigration? Wer willkürlich Leute die einen deutschen Pass haben, aber migrationshintegrund haben, abgeschoben werden wenn die AFD an die macht kommen würde? Wie gross ist die gefahr für Minderheiten?
Sophie Suda: Zum derzeitigen Zeitpunkt besteht keine direkte Gefahr für Deutsche mit Migrationshintergrund, abgeschoben oder ausgebürgert zu werden. Selbst wenn der mehr als unwahrscheinliche Fall eintreten sollte und eine Partei wie die AfD an die Regierung kommen sollte, lässt sich das deutsche Recht, insbesondere das Grundgesetz, nicht einfach ändern. Das ernst zu nehmendere Problem, das mit Remigration einhergeht, ist aber, dass Menschen mit Migrationshintergrund Hass und Hetze in den letzten Jahren und Monaten viel offener ausgesetzt sind. Als der Begriff Remigration vor einem Jahr prominent aufgetaucht ist, gab es einen Aufruhr der Entrüstung in fast allen Parteien. Mittlerweile benutz die AfD ihn offen und er wird in Debatten regelmässig verwendet und die vorgeschlagenen Massnahmen diskutiert. Diese Verschiebung der als akzeptabel wahrgenommenen Grenzen wirkt sich auch darauf aus, wie mit Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag umgegangen wird und wie sich andere Menschen ihnen gegenüber verhalten.
Welche Folgen hätten die Wirtschaftspläne der Parteien für die Schweiz?
Stefan Reinhart: Wichtig für die Schweiz ist primär eine gut funktionierende deutsche Wirtschaft, da unsere Industrie, unsere KMU stark von Deutschland abhängen. Wenn Deutschland erkältet ist, hat die Schweiz die Grippe, sagt man. Die derzeitige Rezession in Deutschland ist für die Schweiz schwierig – Wachstum in Deutschland hilft auch der Schweiz. Dass Deutschland wachsen muss – da sind sich alle einig. Risikoreich wäre sicher ein Ausstieg aus dem Euro und eine Wiedereinführung der D-Mark, wie sie die AfD fordert.
habe nur ausschnitte aus dem quadrell gesehen. weiss man, wie wichtig dieses war?
Stefan Reinhart: Es ist insofern wichtig, als noch 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler unentschieden sind. Um diese Stimmen wird unter anderem im Quadrell oder anderen Formaten gekämpft.
Ist die GroKo die einzig mögliche Option wenn es die FDP nicht zu 5% schafft?
Stefan Reinhart: Nein – falls es nicht reicht für eine schwarz-rote Koalition, könnten auch noch die Grünen dazukommen – beziehungsweise für eine Regierungsbildung nötig sein. Kanzlerkandidat Merz schliesst das neuerdings nicht mehr aus – obwohl die CSU in Bayern da grossen Druck auf Merz macht.
Warum informiert die Presse nicht exakter über das, was die AfD wirklich umsetzen will? Zerschlagung des Rundfunks, Wiedereinführung des trad. Rollenbildes Mann/Frau, Knebelung der Meinungsfreiheit usw.
Magdalena Breyer: Die Positionen der AfD gegenüber Geschlechterrollen, öffentlich-rechtlichen Medien und anderen gesellschaftlichen Themen wie Klima werden durchaus von einigen Medien aufgegriffen. Allerdings stimmt es, dass die Themen Migration und Wirtschaft derzeit viel stärker besprochen werden. Die Aufmerksamkeit lässt sich natürlich auch nicht einfach unabhängig von den Medien lenken, aber ich denke auch, es wäre für die Wählenden hilfreich, wenn eine grössere Bandbreite von Themen Aufmerksamkeit erfahren würde.
Wenn die CDU/CSU wie erwartet die Wahlen als stärkste Kraft gewinnt, wer wird dann der Koalitionspartner? SPD, Grüne oder doch die AFD?
Sophie Suda: Die CDU hat eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen und wird auch keinen Grund finden können, eine solche einzugehen. Nach aktuellen Prognosen hätte nur eine Koalition aus CDU/CSU mit der SPD knapp über 50 % der Sitze, wobei das auch davon abhängig ist, welche Parteien letztendlich in den Bundestag kommen. Die SPD wäre der CDU wohl auch der liebere Koalitionspartner; besonders die CSU präsentiert sich derzeit so, dass nur durch sie eine Regierung mit den Grünen verhindert werden kann. Auch scheinen einige Themen aufeinander eingestellt und kombinierbar zu sein. Falls SPD und CDU allerdings nicht die Mehrheit hinter sich haben, müssen sie eine dritte Partei hinzuholen und könnten hier sehr eingeschränkt sein. Dann hängt es wieder davon ab, ob die FDP in den Bundestag kommt oder nicht. Derzeit scheint sie es knapp nicht zu schaffen, sodass fast nur die Grünen als dritter Koalitionspartner übrig bleiben würden.
Worin lag das Interesse Deutschlands in der Politk immer nur über Lieferung von irgendwelchen Waffensystemen zu diskutieren anstatt sich um einen Waffenstillstand und um das Gespräch mit Putin zu bemühen? Ich bin kein Trump Fan, dass er sich jetzt aber für ein Ende des brutalen „abschlachtens“ einsetzt finde ich absolut ok. Dass Trump dies ohne die unfähigen Europäer tut ist sehr hilfreich!
Stefan Reinhart: Die Frage ist ja: Warum wollte Putin nicht mit Scholz verhandeln – mit Europa verhandeln? Es gab Telefongespräche – aber das Ziel der EU war immer, die Ukraine in den alten Grenzen zu bewahren. Präsident Trump sieht das anders – er könnte sich auch eine Gebietsabtretung im Osten der Ukraine vorstellen – so zumindest sagte es sein Verteidigungsminister: Die Ukraine sei in den alten Grenzen nicht wiederherstellbar.
Wie ist es möglich, dass Merz ohne eine Zukunftgeschichte bei den Bundestagswahlen in Führung ist. Wollen die Deutschen zurück in die Vergangenheit?
Stefan Reinhart: Beachtlich – und natürlich nach den fürchterlichen Anschlägen von Geflüchteten auch verständlich – ist die Dominanz des Themas Migration. Alle anderen Politikfelder gerieten aus den Augen – wie Energie, Wirtschaft oder Bildung. Ob die Konzepte von Merz rückwärtsgewandt sind, muss jede und jeder für sich entscheiden.
Weshalb ist in Deutschland eine Koalition nötig? Weshalb funktioniert es nicht wie in der Schweiz wo sich von Thema zu Thema die Parteien zusammen tun, um ihren Antrag durchzubringen?
Stefan Reinhart: Theoretisch wäre auch eine Minderheitsregierung möglich – die sich, wie Sie schildern – von Thema zu Thema, von Fall zu Fall neue, andere Mehrheiten sucht. Allerdings ist so ein System nicht besonders stabil – es macht das Regieren für einen Kanzler ohne eigene Mehrheit schwieriger. Im Unterschied zur Schweiz hat Deutschland ein System von Regierung und Opposition und ist keine Konkordanzdemokratie wie die Schweiz, bei der die grössten Parteien gemeinsam im Bundesrat sitzen.
Das vorgeschlagene Regierungsprogramm der AfD liest sich sehr positive und sollte in einer echten Demokratie eher begrüsst werden. Wieso Herr Reinhart sehen sie eine Angehörigkeit dieser Partei in der nächsten Regierung als ausgeschlossen?. Ich hätte eher das Gegenteil erwartet, gemessen an den Leistungen der jetzigen Regierung.
Stefan Reinhart: Alle Parteien schliessen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus, das ist der Grund. Die Partei, welche die Wahl gewinnt, beziehungsweise am meisten Stimmen erhält, kann traditionellerweise eine Regierung bilden. Wie die Umfragen jetzt stehen, wird das die CDU – und Parteichef Merz schliesst eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.
Hallo Zusammen in einem deutschen Podcast habe ich gehört, dass in Schleswig-Holstein die glücklichsten Deutschen leben und dass dort die AFD nicht mehr so erfolgreich ist ... ist dem so? Wenn ja, was macht in Schleswig-Holstein richtig, dass die AFD nicht mehr Aufwind hat?
Magdalena Breyer: Es stimmt, dass die AfD in manchen Regionen schwächer ist, dazu zählt vor allem der Nordwesten Deutschlands. Die Gründe dafür sind aber vielfältig und lassen sich nicht ganz einfach feststellen. Es hat bestimmt mit Chancen (Job, Bildung) und der Anbindung an öffentliche Infrastruktur zu tun, aber sicher auch mit der Gewöhnung an gesellschaftliche Vielfalt. Das sieht man auch daran, dass es Unterschiede innerhalb von Ländern (sowohl in Ost als in West) gibt. Oft ist die AfD in grossen Städten schwächer, und im Umland stärker.
Ist die Afd wirklich eine Nazi Partei? Also wollen die Juden vergasen, Kriege anzetteln, anders Denkende internieren, foltern und töten usw.? Also in etwa so, wie es von den bisherigen Parteien und den Massenmedien immer und immer wieder gesagt wird?
Stefan Reinhart: Ich kenne keine relevanten Medien, welche die von Ihnen geschilderten Absichten verbreiten oder die Partei so bezeichnen, wie Sie es sagen. Haben Sie Beispiele?
Mir ist überhaupt nicht klar, aus welchem Grund am Stuhl des Bundeskanzlers Olaf Scholz gerüttelt wird! Hat Olaf Scholz eine grosse Anzahl von Menschen in Deutschland so stark enttäuscht in seiner bisheriger Amtszeit? Olaf Scholz ist und soll auch weiterhin guter Nachfolger von Langjähriger Bundeskanzlerin Angela Merkel bleiben in Deutschland. (Die Ansicht eines Schweizer Eidgenossen)
Sophie Suda: Hier kommen mehrere Dinge zusammen. Zunächst muss man zwischen den tatsächlichen Errungenschaften der letzten Regierung und der Wahrnehmung dieser unterscheiden. Die Ampelregierung hat zwar einige ihrer ursprünglichen Pläne teilweise oder ganz umgesetzt, allerdings kam davon wenig an. Scholz hat konkret zum einen das Problem der fehlenden Führungsstärke, zum anderen der veränderten Weltlage. Als die Ampel 2021 zusammenkam, hatte sie zwar drei ideologisch sehr unterschiedliche Parteien, die sich aber auf einige gemeinsame Themen einigen konnten. Durch den Russlandkrieg und dessen Folgen änderte sich das aber. Viele Menschen leiden unter der hohen Inflation und auch die Industrie scheint sich nicht zu erholen. Dazu kommt aber auch, dass die Ampel als zerstritten wahrgenommen wurde. Scholz als Kanzler hätte hier an mehr Stellen Führungsstärke beweisen und die Koalition zusammenhalten müssen. Somit sind es sowohl seine Regierung als auch er persönlich, die an Beliebtheit eingebüsst haben.
Wenn die AfD Spitzen Kandidatin Alice Weidel im Fernsehen kritische Fragen aus dem Publikum bekommt behauptet sie das Publikum sei gekauft oder habe seine Fragen auswendig gelernt. Schaden ihr solche Aussagen nicht? Das ist doch keine Antwort für eine Politikerin.
Stefan Reinhart: Alle Politikerinnen und Politiker reagieren anders auf Publikumsfragen. Was das bedeutet, muss jeder Zuschauer für sich selber entscheiden – beziehungsweise kann sich so ein Bild über die Kandidatin, den Kandidaten machen. Tatsächlich aber war es in einigen Fällen nicht ganz klar, woher das Publikum kam – hier sind einige Fehler passiert.
Warum wird verschwiegen, dass die deutsche Regierung Demos gegen Rechts finanziert, Bürger die kritische Posts (z.B.Habeck als Schwachkopf bezeichnet hatte) Hausdurchsuchungen und Strafverfahren eröffnet wurden, in den öffentlich, rechtlichen Sendern ZDF und ARD Wahlsendungen vorsätzlich mit einseitig linken Gesinnung und Ansichten eingeladen und gezielt zu Wort kamen?
Sophie Suda: Sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Sender in Deutschland laden für ihre Diskussionen regelmässig Vertreter aller grossen Parteien ein. Beispielsweise fand gestern die Wahlarena statt, in der CDU, SPD, Grüne und AfD vertreten waren. Auch in allen grossen Talkshows sind Politiker der CDU, FDP und AfD zu finden.
Die Linke steigt seit Wochen in den Unfragen, heute steht sie laut YouGov bei 9 Prozent. Wie viel trauen Sie der Linkspartei noch zu und welche Rolle könnte eine erstarkte Linke im künftigen Bundestag spielen?
Stefan Reinhart: Wenn die Wählerinnen und Wähler möchten, dass die Linke in den Bundestag kommt, dann wird sie dort ihre Rolle als linke Stimme finden und spielen. Ob es wichtig ist, dass die Partei im Bundestag ist, muss jede und jeder für sich selber beantworten, da kann ich als neutraler Journalist keine Meinung abgeben. Wichtig allerdings finde ich, dass möglichst breite Bevölkerungsschichten und damit ihre Meinungen in einem Parlament vertreten sind.
Wie genau differenziert sich Robert Habeck in seinen Positionen von Olaf Scholz? Für mich lässt sich bei ihm nur schwer ein Profil erkennen, weil er auch deutlich weniger in Erscheinung tritt als die anderen Kandidaten. Er scheint der Ampelzeit kritisch gegenüberzustehen, was er aber zukünftig anders machen würde, erschliesst sich mir nicht wirklich.
Magdalena Breyer: Im Wahlkampf ist es vor allem für die kleineren Koalitionspartner eine schwierige Balance, sowohl Regierungshandeln zu verteidigen als auch eigene Akzente zu setzen. Die Grünen und die SPD unterscheiden sich in den letzten Jahren vor allem in der unterschiedlichen Betonung von Themen, das lässt sich zum Beispiel bei der Klimapolitik feststellen. Die inhaltliche Richtung der Vorschläge, etwa zu Wirtschafts- oder Steuerpolitik ist aber ähnlich. Da die Grünen derzeit auf Rang vier in den Umfragen liegen, ist Robert Habeck wahrscheinlich auch deswegen als Kandidat etwas weniger präsent als Olaf Scholz.
- was sind die ehrlichen Beweggründe für die Errichtung der Brandmauer zur AFD – wie lässt sich das erklären mit dem Demokratie Verständnis der Exponenten der selbsternannten demokratischen Mitte – der US VICE VANS ortet ein Demokratie Manko bei den selbsternannten Mitte-Demokraten. Hat er recht?
Stefan Reinhart: Meiner Meinung nach nicht. Ich sehe nicht, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland in irgendeiner Weise eingeschränkt wäre. Jede und jeder darf sagen, was er will, wenn die Aussage nicht gegen Gesetze verstösst oder beleidigend oder bedrohend ist. Und am Ende darf jede Partei selber entscheiden, mit wem sie in eine Regierung möchte.
In den Ländern hört man ja öfters auch das Wort Minderheitsregierung. Ist das auch auf Bundesebene möglich, sollte es zu keiner Mehrheit bei einer Mödliche Koaliation kommen?
Sophie Suda: Meiner Einschätzung nach werden die Parteien im Bundestag alles dafür tun, eine Minderheitsregierung zu verhindern. Deutschland hat auch auf Ebene der Bundesländer wenig Erfahrung mit Minderheitsregierungen und das Regieren in der Praxis ist schwierig. Auch sind Minderheitsregierungen in anderen europäischen Ländern häufig nur von kurzer Dauer. Minderheitskoalitionen haben die letzten 10 Jahre im Schnitt nur 2.3 Jahre gehalten; Einparteiminderheitsregierungen 2.5, währende Mehrheitskoalitionen bei fast 2.8 Jahren liegen. Für gewöhnlich müssen Minderheitsregierungen ausserdem von anderen Parteien toleriert werden, d. h. diese unterstützen, ohne ihr formell anzugehören. Auch hier ist unwahrscheinlich, dass die etablierten Parteien diese Position, die weder Regierung noch wirkliche Opposition ist, einnehmen wollen, da sich kein direkter Vorteil daraus ergibt.
Welches Ergebnis trauen sie der FDP und dem BSW zu? Halten Sie einen Einzug in den Bundestag noch für realistisch?
Magdalena Breyer: Derzeit liegen beide Parteien in den Umfragen sehr nahe an der 5%-Hürde, tendenziell eher darunter. In diesem Bereich sind Vorhersagen unmöglich, da viele Wählerinnen und Wähler auch in den nächsten Tagen noch strategische Entscheidungen treffen könnten. Es könnte sowohl noch einmal zu einer Mobilisierung der Wählerpotenziale kommen als auch zur Überlegung, dass man die Stimme nicht «verschenken» möchte.
Voraussichtlich wird die Union(CDU und CSU) die Wahlen gewinnen. Sie wird aber auf Koalition mit der SP und/ oder der Grünen angewiesen sein, um eine Regierung zu bilden. Sollte dieKoalitionsverhandlungen scheitern, könnte die SP, oder die Grünen mit der Bildung einer Regierung beauftragt werden, obwohl nicht die höchsten Stimmenanteile der Wählern bekommen hat ?
Sophie Suda: Es gibt im deutschen System keine Regel, dass die Partei mit den meisten Stimmen zwingend an der Regierung sein muss. Parteien müssen sich nach der Wahl selbst organisieren und miteinander in Verhandlungen treten. Das unterscheidet Deutschland auch von Systemen wie beispielsweise Polen, in denen das Staatsoberhaupt einen offiziellen Formateur bestimmt, also eine Partei damit beauftragt, eine Mehrheit zu finden. Allerdings sieht es nach derzeitigen Umfrageergebnissen nicht so aus, als hätten Gründe und SPD eine Mehrheit im Bundestag, weshalb eine solche Zweierkoalition eher unwahrscheinlich ist.
Warum pupen die deutschen Politiker immer ihre Maximalforderungen aus, so dass eine Konsensfindung unmöglich wird?
Sophie Suda: Das ist der Unterschied zwischen Wahlkampf und Realität. Wenn man als Partei im Wahlkampf Maximalforderungen stellt, kann man unter Umständen in Koalitionsverhandlungen seine Verhandlungsposition stärken, da man starke Eingeständnisse macht. Teilweise sind bei den Maximalforderungen natürlich auch taktische Forderungen, um bestimmte Wählergruppen für sich zu gewinnen. Man sieht das beispielsweise daran, dass die SPD versucht, den Osten für sich zu gewinnen und sich deshalb bei den Waffenforderungen für die Ukraine einschränkt, während die CDU hingegen für Tauruslieferungen plädiert. Wenn sich am Ende beide in der Mitte treffen müssen, können sie ihrer jeweiligen Wählerschaft das als Konsens verkaufen, bzw. dem Koalitionspartner die Schuld geben, dass ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Wie gross ist der unterschied von AFD und SVP? Wie schneidet die AFD im vergleich zu anderen rechten Parteien in Europa ab und gibt es da Verbindungen und/oder Beziehungen?
Magdalena Breyer: Das ist eine interessante Frage, auch vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit verschiedener rechtsradikaler Parteien im Europaparlament. Dort kam es letztes Jahr zu einem Bruch: das Rassemblement National aus Frankreich unter Marine Le Pen mit der AfD gebrochen, auch weil die AfD mit rechtsextremen und putinfreundlichen Aussagen auffiel. Es gibt weiterhin mehrere Fraktionen rechtsradikaler Ausrichtung im Europaparlament, die Zusammenarbeit fällt hier also nicht immer einfach. Der Vergleich mit der SVP ist nicht ganz leicht. Einerseits hat auch die SVP, vor allem die Junge SVP, Beziehungen in die rechtsextreme Szene wie die Junge Tat. Andererseits sind die politischen Dynamiken im Bundesrat schwer mit deutschen Regierungsdynamiken zu vergleichen – mein Eindruck ist, dass in der SVP noch mehr führende Personen eine Abgrenzung zum Rechtsextremismus verfolgen als in der AfD.
An Stefan Reinhart: Es gab Medienberichte, dass die Anti-Rechts-Proteste gekauft waren bzw. mit Steuergeldern finanziert. Stimmt das? Oder Fake News? Danke für die Einordnung
Stefan Reinhart: Offenbar haben die «Omas gegen Rechts» eine Zuwendung von staatlicher Seite von 18'000 Euro bekommen – für Bildungszwecke. Die Omas gegen Rechts engagieren sich gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und sind in diverse Bildungsprojekte involviert. Man kann daraus konstruieren, dass die Proteste damit gekauft sind – allerdings kann man genau gegenteilig argumentieren: Die Omas gegen Rechts engagieren sich für Bildung. Und als Rentnerinnen müssen sie ja kein Geld erhalten, um an Demos mitzulaufen.
An Stefan Reinhart . Weil Sie so unwissend fragen warum hetze-Behauptung gegen die AFD. Nennen Sie mir nur einen Beitrag über die afd ODER irgendeine andere rechte Partei , die Sie von SRF nicht als Rechtspopulisten oder rechtsextreme bezeichnen. Nennen Sie umgekehrt nur eine linke Partei , welche von SRF regelmässig als Linkspopulisten betitelt wird ? Nicht eine!!!!!! Das nennt man hetze
Stefan Reinhart: Schauen Sie meine letzten Online-Texte dazu an. Ich argumentiere immer mit Inhalten. Und Linksextreme bezeichne ich immer so – wie zum Beispiel bei den Krawallen am AfD-Parteitag in Riesa.
Wie ist das mit der Regierungsbildung? Kommt nur eine Regierung zustande, wenn Wahlanteile der Stimmen der Parteien auf über 50% kommen? Oder ist eine Minderheiten-Regierung möglich? Vielleicht sollte Deutschland sein Politik-System reformieren!?
Sophie Suda: Es ist nicht zwingend so, dass eine Regierung 50 % der Sitze im Bundestag hinter sich haben muss und theoretisch sind auch Minderheitsregierungen möglich. Allerdings sind diese eher unwahrscheinlich, da auch eine Minderheitsregierung von anderen Parteien zumindest toleriert werden muss. Gleichzeitig müsste sie bei jedem Gesetzesentwurf nach neuen Partnern suchen. Es lohnt sich also weder für die Regierungspartei, die mehr Arbeit hat, noch für die unterstützende Partei, die weder Regierung noch wirkliche Opposition ist. Der Umbau eines politischen Systems ist sehr, sehr selten und häufig das Resultat aus plötzlichen Ereignissen (Kriege, äussere Bedrohungen, Putsche etc.). Die zukünftige Regierung wird kein Interesse daran haben, das System zu reformieren.
Was steht Ihrer Meinung nach für die Zukunft der EU mit den Wahlen in Deutschland auf dem Spiel?
Stefan Reinhart: Als besonders wichtig erachte ich stabile Verhältnisse. Nach den Ankündigungen aus den USA wird es künftig sicher wichtiger, dass die EU mit einer Stimme spricht und gemeinsame Stärke leben kann. Auf die Hilfe der USA wird man immer weniger zählen können.
Warum ist die Stimmung im Wahlkampf so extrem aufgeladen?
Stefan Reinhart: Treibend ist sicher das Thema Migration, das nach den fürchterlichen Anschlägen von Geflüchteten in den letzten Wochen und Monaten zentrales Wahlkampfthema ist. Man streitet um Lösungen, die nicht einfach sind – auch wegen des EU-Flüchtlings-Systems, das es für Länder wie Deutschland oder Frankreich tendenziell schwieriger macht, weil sie eine so grosse Anziehungskraft auf Geflüchtete haben. Grundsätzlich ist es aber für eine Demokratie gut, wenn man um Positionen und für Lösungen streitet – sich dabei aber natürlich gegenseitig respektiert.
Etwas, das ich nicht verstehe: Wenn doch alle «bisherigen» Parteien, also alle ausser der AfD und dem BSW, partout sich über Jahre gegen die Gefahr ausgesprochen haben, die von diesen Extremparteien ausgeht: Warum sind die Parteien dann nicht viel kompromissbereiter bei der Errichtung einer soliden und entscheidungsfähigen Regierungskoalition? Bsp. Österreich: Wieso konnten die Parteien, die vor der FPÖ mit der ÖVP Koalitionen verhandelten, sich nicht auf einen Kompromiss einigen, damit die FPÖ mit allen Mitteln an der Regierungsbeteiligung gehindert wird? Ist das, weil die Parteien Konsequenzen ihrer Wähler*innenschaft fürchtet, wenn sie zu viele Kompromisse eingehen? Aber ist es nicht eine der grössten Ängste der Wähler*innen von alten Parteien, dass eben gerade die Rechtsextremen aus der Kompromisslosigkeit und Desorientierung der alten Parteien profitiert, und deswegen ein grosszügiger Kompromiss die Wähler*innen stärker überzeugen würde von einer Wiederwahl?
Sophie Suda: Das Bilden einer Regierung allein auf Grundlage eines gemeinsamen Gegners ist sehr schwierig, weil eine Regierung um Alltag viel mehr Probleme lösen muss. In Österreich hat man auch gesehen, dass sich die ÖVP, NEOS und SPÖ gegenseitig vorgeworfen haben, diese Notsituation auszunutzen und mit maximalen Forderungen in die Verhandlungen zu gehen. Es ist also zum einen der Politikalltag, der deutlich komplizierter ist und zum anderen die Parteipolitik, die über eine solche Koalition gestellt wird. Hinzu kommt, dass der Extremismus nur von einigen Teilen der Bevölkerung als da grösste Problem wahrgenommen. Auch diese Personen wollen etablierte Parteien versuchen zu integrieren bzw. abzuholen.
Wird Ihrer Meinung nach das Potsdamer Geheimtreffen einen Einfluss auf die Wahlen gehabt haben? LG
Stefan Reinhart: Das glaube ich nicht. Es war ein einzelner Baustein einer Beurteilung der AfD – mit wem sie spricht, was sie will. Da kann sich jeder Bürger selber eine Meinung bilden.
Warum ist die Abschaffung des Beamtentums überhaupt kein Thema im Wahlkampf, obwohl es aus meiner Sicht eine Zweiklassengesellschaft herbeiführt und das Bürokratiemonster zusätzlich ausufern lässt?
Stefan Reinhart: Das Beamtenrecht ist in Deutschland auch aus historischer Perspektive ein sehr wichtiges Asset. Es schützt Beamte und Beamtinnen vor staatlicher Willkür, ist eine wichtige Grundsicherung für den Staat. Das ist das eine. Aber über Privilegien wie die Dispensierung von Rentenzahlungen wird schon gesprochen.
Guten Tag Welches Gesetz müsste in Deutschland erlassen werden, damit die beiden wählerstärksten Parteien «gezwungen» werden, eine Regierung zu bilden? Und somit den Willen der Mehrheit der Bevölkerung auch in einer Mehrheiten-Regierung abzubilden. Diese Pflicht ist in anderen Ländern ja bereits üblich. Und eine sehr gute Sache. Freundliche Grüsse
Stefan Reinhart: Ein solches Gesetz ist doch für eine Demokratie absolut schädlich, finde ich. Warum sollte jemand gezwungen werden, eine Regierung zu bilden? Und warum sollte das, wie Sie schreiben, einer «Mehrheit» der Bevölkerung entsprechen? Falls Sie auf die AfD ansprechen: Die Partei hat gesamtdeutsch 20 plus Prozent. Niemand will mit der Partei regieren, andere Bündnisse möglich. Also läuft alles im freiheitlich-demokratischen Rahmen.
Welche Folgen hätte es für Deutschland, wenn die CSU doch mit der AfD eine Koalition schliessen würde?
Sophie Suda: Eine solche Koalition nach der nächsten Wahl ist sehr unwahrscheinlich. Forschung zeigt, dass Parteien eigentlich immer dabei bleiben, wenn sie vor der Wahl Koalitionen mit anderen Parteien ausschliessen, weil sie sich sonst unglaubwürdig und für zukünftige Bündnisse unattraktiv machen. Da auch die Wählerschaft der CDU keine Koalition ihrer Partei mit der AfD will, hätte die CDU nichts zu gewinnen.
Was halten Sie von den ganzen Diskussionen rund um Links- und Rechtsextremismus in Deutschland. Es scheint, als wäre der einzige Wegweiser für jede Debatte. So meine Beobachtung. Ist dieses Extrem-Tauziehen nicht ermüdend und schädlich für eine Demokratie? Danke
Stefan Reinhart: Ich bin überzeugt, dass jede Art von Extremismus, komme er nun von Rechts oder von Links, nicht gut für eine Demokratie und eine Gesellschaft ist. Faire Diskussionen, das Ringen um Lösungen, finde ich immer wichtiger als Extremismus, der nicht lösungs-, sondern streit-orientiert ist – und in vielen Fällen sogar mit Gewalt einhergeht.
Welches Hauptproblem muss die nächste deutsche Regierung unbedingt anpacken? Und wie könnte die realistische Lösung aussehen?
Stefan Reinhart: Eine grosse und wichtige Frage. Natürlich können wir hier Deutschland und dessen Regierung keine Ratschläge geben. Klar ist: Migration, Energie, Geopolitik vor allem mit Blick auf die Ukraine, Soziales sind jene Themen, welche die Menschen in Deutschland am meisten beschäftigen. In allen diesen Fragen Lösungen zu finden, ist die Aufgabe der Parteien im Bundestag – und natürlich einer Regierung, welche dazu gemeinsame Antworten entwickeln soll. Ich hoffe, die Antwort ist für Sie nicht zu allgemein.
Wann kommt Deutschland endlich seinen Verpflichtungen gemäss den Billateralen Verträgen in Sachen Schienen Verkehr Nord-Süd nach? Man hört so seit Jahren nichts über diesen Ausbaustand im Autoland Deutschland!
Stefan Reinhart: Das stimmt! Da ist Deutschland in Verzug. Die Schweiz hat ihren Job mit dem Bau der Neat schon lange gemacht. Immerhin kommt jetzt der Bau der Rheintalbahn ein bisschen voran, was man ja gut merkt, wenn man die Bahnstrecke regelmässig fährt.
Wie wirkt sich das Gespräch zwischen den Aussenministern der USA und Russland auf die nächste Regierung aus und warum ist ein NATO Beitritt der Ukraine in den kommenden Monaten sehr unwahrscheinlich?
Sophie Suda: Die etablierten Parteien in Deutschland teilen hier die Meinung der meisten anderen europäischen Staaten: dass die Ukraine an den Gesprächen beteiligt sein muss. Die nächste Regierung muss also gemeinsam mit anderen Ländern die Position der Ukraine stärken und einen Einfluss auf den zukünftigen Umgang mit Russland nehmen. Ein NATO-Beitritt ist derzeit sowieso unmöglich, da kein Land, das in einem aktuellen Konflikt ist, der NATO beitreten kann. Selbst wenn der Krieg beendet sein sollte, ist ein NATO-Beitritt unwahrscheinlich, da die USA dies bereits ausgeschlossen haben und ein Beitritt die Zustimmung aller bisherigen Bündnispartner braucht.
Wie sollen die drei Führungsköpfe der CDU/SP/Grüne miteinander das Geschehen in Zukunft führen, wenn ihre Ansichten soweit auseinander liegen? Respeckt, Anstand, Empathie ging total verloren. Eine Basis für einen erfolgreichen Start ist weit in die Ferne gerückt. Eine so unzufriedene Bevölkerung in Deutschland habe ich noch selten gesehen. Die vielen offenen Fragen wurden einfach nicht richtig angegangen. Die Politik hat sich vom einfachen Bürger vollständig verabschiedet.Der Bundestag mit ihren Mitglieder beschäftigt sich mit sich selbst viel zu stark, wohlverstanden sehr gut entlöhnt via Steuergelder. Selbst für die Altersvorsorge zahlen sich nichts, wahrlich ein Hohn. Im überigen Europa ist dies eine Selbstverständlichkeit. Die Wirtschaft hat riesige Versäumnisse und das Energieproblem wurde völlig falsch angepackt. Ohne Atomstrom geht es auch in Deutschland nicht, siehe Frankreich,Grossbritannien, etc. Wie konnte es kommen, dass ein so tolles Land wie Deutschland in diese Situation geraten konnte. Als Nachbar wünsche ich Deitschland nur das Beste für die Zukunft. kommenden Jahre
Magdalena Breyer: Ich glaube, dass wir manchmal vergessen, wie scharf politische Auseinandersetzungen auch in der Vergangenheit geführt wurden. In einem gewissen Rahmen müssen persönliche Auseinandersetzungen nicht dazu führen, dass eine Zusammenarbeit in inhaltlichen Fragen unmöglich wird. Allerdings teile ich schon auch die Einschätzung, dass vor dem Hintergrund der Abstimmung zur Migrationspolitik im Bundestag, die die Mehrheit durch CDU, FDP und AfD erhielt, die zukünftige Zusammenarbeit mit SPD und Grünen erschwert wird.
Wie bewerten sie die Berichterstattung der Medien in Deutschland zur Bundestagswahl? Es wurde beispielsweise berichtet, dass RTL ein Bild aus Zürich verwendet hat in einer Talkrunde zur Bundestagswahl. Was für einen Einfluss haben die Medien und wem nützt solche Falschinformationen?
Stefan Reinhart: Bisher habe ich einen guten Eindruck – das Beispiel mit dem Bild aus Zürich habe ich nicht gesehen – aber da geht es wohl eher um einen Fehler des zuständigen Redaktors als um eine gezielte Falschinformation – macht ja auch wenig Sinn. Falschinformationen sehe ich eher in sozialen Netzwerken, die nicht von Journalisten, Journalistinnen betreut werden. Die Desinformation erreicht in diesem Wahlkampf sicher einen Höhepunkt. Und macht es für viele Menschen schwer, Wahres von Unwahrem zu unterscheiden.
Welche Rolle spielen TikTok und andere soziale Medien diesmal im Wahlkampf – gibt es Auswirkungen auf das Wählerverhalten?
Sophie Suda: Tiktok und soziale Medien spielen eine grosse Rolle im Wahlkampf, weil Parteien sich hier ungefiltert präsentieren können und die Wahrnehmung der Wählerschaft beeinflusst wird. Gestärkt wird dieser Effekt auch durch das sinkende Vertrauen in Medien in Teilen der Gesellschaft, aber auch die allgemeine hohe Nutzung sozialer Medien in fast allen Altersgruppen. Beispielsweise ist der aktuelle Aufschwung der Linken unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie sich geschickt in sozialen Medien präsentieren und besonders Heidi Reichinnek und ihre Reden verbreitet und gefeiert werden. Seit Jahren am aktivsten auf den sozialen Medien ist aber die AfD, die alle gängigen Plattformen bedient. Etablierte Parteien haben hier in der Tat einigen Aufholbedarf. Probleme bringen soziale Medien natürlich viele mit sich, angefangen von Bots, die Meinungsmache betreiben, bis hin zum Algorithmus, der Nutzern schnell kein pluralistisches Bild der Welt vermittelt und Menschen in ihrer eigenen Bubble verschwinden.
Da Sie mich absichtlich falsch verstehen, werde ich gerne nochmals genauer. Sie erwähnen als Antwort auf meine erste Frage nur die AfD. Warum? Als Beispiel kann man die 30% der CDU sowie die 22% der AfD anschauen. Womit wir bei zusammen 52% der Wähler wären. Da sprechen wir dann von einer Mehrheit sind wir uns einig? Eine Brandmauer kann man sich nur erlauben, wenn das möglich ist. Nicht wenn vorgegeben ist, dass die beiden Partein miteinander zumindest mal sprechen müssten. Was aktuell nicht stattfindet. Unten sprechen Sie der AfD die Mehrheit ab, gleichzeitig wären aber die deutlich geringeren 12% der Grünen für Sie kein Problem in der Regierung? Die CDU und die Grünen trennt politisch so viel mehr als z.B. CDU und AfD. Dass solch grosse Differenzen in einer Regierung nicht funktionieren, hat man an den letzten 3 Jahren der Ampel gesehen.
Stefan Reinhart: Tatsächlich ist die Ampel kein gutes Beispiel für eine funktionierende Regierung, da haben Sie natürlich Recht. Und ich würde mich hüten, Sie falsch zu verstehen, das wäre sehr respektlos. Aber wenn Sie von einer Mehrheit sprechen, müssten ja auch die 30 Prozent der CDU/CSU-Wähler einverstanden sein mit einer Koalition mit der AfD. Das ist aber keinesfalls der Fall, wie Umfragen zeigen. Die CDU ist eine bürgerliche Partei, die Partei Adenauers, prägend für die Deutsche Nachkriegszeit nach der Nazi-Diktatur. Zudem hat die CDU das C im Namen, ist also christlich geprägt. Eine grosse Mehrheit will die Bürgerlichkeit nicht verlassen und mit einer Partei am äusseren rechten Rand zusammenarbeiten, welche von Verfassungsschützern als «in Teilen rechtsextrem» eingeschätzt wird. Ich weiss: Viele in der AfD lehnen den Verfassungsschutz als parteiisch ab, Gerichte ebenso. Aber genau das gehört ja zu einem Demokratieverständnis: die Institutionen zu respektieren. Diesen Grundsatz sehen viele in Deutschland verletzt.
Warum werden SPD und vor allem die Grünen sowie die Partei «Die Linke» im Bundestag bei den Debatten immer als «Demokratische Mitte» bezeichnet? Das ist eine Farce. Wie kann eine nachweislich stark linke Partei wie die Grünen als Mitte und nicht als Links bezeichnet werden?
Stefan Reinhart: Finden Sie solche Beschreibungen bei SRF? Da gehen wir nicht mit – die Linke ist sicher keine Partei der Mitte – und das ist nicht wertend gemeint.
Wie kann man den Erfolg der AFD und auch anderer rechtspopulistischen Parteien in Europa erklären. Ist es eine generelle Unzufriedenheit in der Bevölkerung oder gibt es andere Gründe dafür?
Magdalena Breyer: In Studien in vielen europäischen Ländern ergibt sich immer wieder, dass nativistische Einstellungen der wichtigste Grund für die Wahl rechtsradikaler Parteien sind. Nativismus bedeutet, dass jemand sich dafür einsetzt, dass ein Staat nur von den Mitgliedern einer als einheimisch (nativen) definierten Gruppe bewohnt werden soll. Nicht-einheimische Menschen oder Ideen werden als grundsätzliche Bedrohung für den als homogen verstandenen Nationalstaat gesehen. Wir wissen aus der Forschung auch, dass diese Einstellungen nicht unbedingt so rasant steigen wie die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien. Es ist eher so, dass eine recht konstante Minderheit so denkt, diese Menschen aber durch verschiedene Faktoren vermehrt die Wahl einer rechtsradikalen Partei in Betracht ziehen. Das passiert zum Beispiel durch die Normalisierung und Legitimierung Parteien wie der AfD, die starke Politisierung und Salienz des Migrationsthemas, und sicher auch andere Faktoren wie eine generelle Unzufriedenheit und Verlustängste. Diese beziehen sich dann häufig auch auf sich verändernde Geschlechterrollen, LGBTQ-Rechte, Klimapolitik usw.
Was passiert, falls keine Koalition zustande kommt, weil niemand mit der Afd zusammenarbeiten will?
Sophie Suda: Das ist sehr unwahrscheinlich, weil, sofern die AfD nicht die Mehrheit der Stimmen besitzt, eine Koalition gegen die AfD immer möglich wird. Allerdings kann die Koalitionsbildung natürlich sehr schwierig werden, besonders wenn doch einige der kleineren Parteien (FDP, BSW, Linke) in den Bundestag kommen und die Fragmentierung so gross ist. Eine Koalition, die nur davon lebt, dass sie die AfD ausschliesst, aber wenig inhaltliche Berührungspunkte hat, wird ausserdem sehr instabil sein.
Grüezi mitenand, welche Parteien-Koalitionen dürften je nach Wahlsieger erwartet werden und wie hoch wird die Wahlbeteiligung sein? Vielen Dank für ein Feedback und viele Grüsse
Stefan Reinhart: So wie es jetzt aussieht, wird die CDU die stärkste Partei. Sie braucht aber mindestens einen Partner. Primär wäre das die SPD – aber falls es nicht reicht, müssten vielleicht noch die Grünen oder die FDP dazukommen – wenn es letztere Partei in den Bundestag schafft. Die Wahlbeteiligung wird als hoch vorausgesagt – die Wahl bewegt die Menschen in Deutschland sehr.
Könnten die Deutschen Wähler sich nicht mal ein Beispiel an der Schweiz nehmen??
Stefan Reinhart: Das kann ich Ihnen leider nicht sagen – da müssen Sie die Wählerinnen und Wähler in Deutschland fragen..
Die Koalitionsdemoktratie in Deutschland führt meist zu Koaltionen die Kompromisse eingehen und dann die Werte die Sie vertreten nicht durchführen können oder nur teilweise und dann nicht funktoniert wie mit der Ampel Regierung. Sollte so ein System nicht überarbeitet werden?
Stefan Reinhart: Eine super Frage, danke! Eigentlich sind Koalitionen mit Parteien, die in ihren Zielen nicht oder nicht sehr übereinstimmen, immer Notlösungen. Ein Lager-Wahlkampf, bei dem am Schluss auch entweder Links oder Rechts gewinnt, ist in der zersplitterten Parteienlandschaft fast nicht mehr möglich, was viele Wählerinnen und Wähler immer wieder enttäuscht. Am Ende steht in einer Koalition immer der Kompromiss. Die «reine Lehre» eines Wahlkampfs kommt im Regierungshandeln nicht an. Aber zumindest Teile davon – und Demokratie ist ja immer Kompromiss, aufeinander Zugehen, das wissen wir in der Schweiz ja sehr gut.
Welche Partei hat den überraschendsten Wahlkampf geführt – gab es unerwartete Strategien oder Themen, die besonders gut oder schlecht ankamen?
Sophie Suda: Etwas überraschend ist das aktuelle Hoch der Linken, die nach Aufkommen des BSW eigentlich an Zustimmung in Umfragen verloren hatten. Die Linke hat eine Kampagne, die sich fast nur auf soziale Gerechtigkeit bezieht. Dazu hat sie ein paar kreative Kampagnen und Initiativen aufgebaut, beispielsweise, dass MieterInnen prüfen können, ob ihre Heizkosten zu hoch sind. Mit diesem Thema punkten sie bei vielen, die sich hierbei von der SPD im Stich gelassen fühlen. Dazu kommt, dass sie seit Jahren erstmals wieder intern friedlich auftreten und ihre Kampagne besonders auf Social Media geschickt verkaufen. Das BSW wiederum ist erstaunlich blass und macht es durch ihre Mischung aus linken und konservativen Themen dem Wähler schwierig, sie wirklich einzuordnen. Auch das eigentlich grosse Theme Frieden, mit dem es besonders in Ostdeutschland punkten wollte, wird schon von anderen Parteien bedient.
Sie schreiben hier mehrmals das es keine Koalition zwischen CDU und AfD geben werde, aber wenn es so kommt wie die Umfragen im Moment sagen muss sich die CDU ja einen Koalitionspartner suchen. Was wenn ein folgendes Szenario eintritt. Die SPD will keine Groko weil sie sowohl auf den Kanzler verzichten müsste als auch grosse Zugeständnisse in Sozial, Migrations und Klimapolitik machen müsste. Die CSU als Junior Partner der CDU schliessen die Grünen aus als Koalitionspartner. Wird dann Merz nicht wie beim Zustromgesetz einfach sagen tja die Grünen und die Linken sind Schuld das ich nun halt mit der AfD in die Koalition muss. Kann er dem widerstehen oder knickt Merz dann ein?
Stefan Reinhart: Ich glaube nicht, dass CDU-Chef Merz einknicken wird. Politisch kann er sich das nicht leisten, eine grosse Mehrheit der CDU-Wähler lehnt das auch ab. Falls tatsächlich alle Gespräche mit SPD, Grünen und vielleicht auch der FDP scheitern, halte ich eher eine Minderheitsregierung für realistisch. Was natürlich wie schon beschrieben auch grosse Risiken birgt.
Guten Tag Meines Wissens ist die inländische Sicherheitslage und Kriminalität in Deutschland auf recht gutem Stande. Es gäbe viele Themen, die man behandeln könnte, auch viele die den Alltag der Bürger:innen mehr beteffen. Wie hat es die AFD geschafft, dass Sicherheit (und Migration) das Thema Nummer 1 wurde? Entstand das wirklich nur durch die einzelnen Anschläge und durch die populistische Haltung? Oder gibt es weitere Faktoren wie AFD-nahe Medien wie BILD/Axel-Springer, ausländische Politik, ...? Was ist Ihre Einschätzung?
Magdalena Breyer: Die Aufmerksamkeit für die Themen Sicherheit und Migration, auch in dieser Verbindung, haben sicher viel mit den Anschlägen der letzten Wochen zu tun. Allerdings war das Thema Migration auch schon vor diesen und auch vor dem aktuellen Wahlkampf politisiert, es kommt also auch nicht ganz aus dem Nichts. Dann standen aber auch Themen wie die Angewiesenheit auf die Zuwanderung von Fachkräften oder andere Aspekte auf der Tagesordnung, das ist nun mehr in den Hintergrund geraten. Es ist natürlich schwierig für die demokratischen Parteien: Einerseits wollen und müssen sie auch Position zu den Anschlägen beziehen, andererseits würden sie sicher gerne mehr über andere Themen reden. Es wird aber auch über Wirtschaft viel debattiert. Ich denke auch, dass Wirtschaft, Soziales, Aussenpolitik auch weiterhin grosse Rollen für die Wahlentscheidung der Menschen spielen werden.
Was macht die deutsche Politik Ihrer Meinung nach besser als andere europäische Länder? Gibt es da auch Beispiele, die andere Länder beherzigen könnten
Sophie Suda: Besser ist natürlich eine sehr subjektive Wahrnehmung. Einige Entscheidungen mögen anfangs gut klingen, aber sich im Nachhinein als Irrweg herausstellen, beispielsweise das lange billig aus Russland importierte Gas, das die deutsche Wirtschaft angekurbelt hat, aber zu einer gewissen Abhängigkeit geführt hat. Die meiste Politik auch in Deutschland entsteht nicht völlig frei, sondern ist zum einen von einer gewissen Pfadanhängigkeit der letzten Entscheidungen betroffen, als zum anderen auch von den europäischen Nachbarn oder Ländern, mit denen Deutschland besonders wirtschaftlich verbunden ist. Es kommt also ständig zu Diffusionseffekten in die eine oder andere Richtung. Somit kann man nicht gut eine einzelne Politik herausstellen, die Deutschland besser macht als andere.
Im heutigen SRF Artikel über Wähleranteile in Deutschland steht, die AFD will raus aus der EU, raus aus dem EURO und «weg» von der NATO und hin zu Russland. Nichts von all dem steht aber im aktuellen Wahlprogramm der AFD. Woher stammen diese Informationen?
Stefan Reinhart: Mit Verlaub, haben Sie das Wahlprogramm gelesen? Die amerikanscihe Dominanz wird abgelehnt, die D-Mark als realistisches Ziel angegeben. Bei der EU haben sie recht, da hat man einen entsprechenden Passus aus dem Entwurf gestrichen. Aber EU-kritisch bleibt die Partei, fordert radikale Änderungen. Eine EU, wie sie heute besteht, lehnt die AfD weiterhin ab.
Und wie ist eigentlich aktuell die Wirkungskraft der Partei «Heimat»?
Sophie Suda: Die Heimat, also die ehemalige NPD, spielt derzeit keine grosse Rolle mehr. Das liegt besonders am Erstarken der AfD, die diese Themen und die ohnehin nicht grosse Wählerschaft übernommen haben. Man sieht das beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD in den 2000ern noch im Landtag sass und in einigen Ortschaften sehr aktiv war und lange auch eine gewisse soziale Rolle für die übernahm, die sich von der damaligen Politik im Stich gelassen fühlten. Diese Netzwerke wurden sowohl direkt als auch indirekt fast komplett von der AfD übernommen.
Nur am Rande Themenebzug, aber was ist eigentlich der aktuelle Stand von Maximilian Krah? Ist er für AfD ein rotes Tuch oder immer noch wichtige Person
Stefan Reinhart: So weit bekannt tritt Maximilian Krah für die AfD im Chemnitzer Umland als Bundestags-Kandidat an. Wie das Verhältnis aktuell zwischen der Parteiführung und Krah ist, kann ich leider nicht beurteilen, sorry. Nur so viel: Ganz entspannt ist es sicher nicht.
Darf die AfD denn rechtsradikal bezeichnet werden, wie Sie das locker machen, Frau Breyer. Müsste man nicht abgrenzen?
Magdalena Breyer: Das ist in der Forschung eine weit verbreitete Einordnung. Die AfD wird von der Forschung und auch von Sicherheitsbehörden sogar zunehmen als (in Teilen) rechtsextrem eingeordnet, aufgrund fehlender Abgrenzung von völkischen Aussagen, die den Nationalsozialismus verharmlosen. In der international vergleichenden Forschung ist «rechtsradikal» eine analytische Einordnung, die bedeutet, dass eine Partei Grundpfeiler der liberalen Demokratie ablehnt, also etwa individuelle Grundrechte, politischen Pluralismus, Gewaltenteilung und Freiheit von Presse und Forschung. Rechtsextrem bedeutet, dass eine Partei zusätlich noch anti-demokratische Positionen vertritt, etwa auch freie Wahlen oder die Gleichheit aller Menschen.
Guten Tag Was erlaubt sich die Frau Alice Weidel, wenn sie die Ampel kritisiert, ihr auch noch erlaubt, Bundeskanzler Scholz und Minister Hasser ihres eigenen Landes zu nennen! Wo bleibt da der Respekt und die Höflichkeit? Braucht es etwa solche Aussagen, um sein eigenes Versagen, im normalen Leben zu reglementieren? Danke für Ihre Antwort! Mit freundlichen Grüssen
Stefan Reinhart: Jede Kandidatin, jeder Kandidat präsentiert sich im Wahlkampf so, wie er oder sie gesehen werden möchte – dazu gehört auch das Vokabular.