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Studie mit Fragezeichen Mikroplastik und Demenz: das steckt dahinter

Forschende halten es für möglich, dass Mikroplastik mit Demenz in Verbindung steht. Der Befund ist aber zu relativieren.

Darum geht es: Winzige Plastikteilchen sammeln sich zunehmend in Geweben des menschlichen Körpers an. Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat in Leber und Gehirn verstorbener Menschen, die 2023 untersucht wurden, deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden als in Proben von 2016.

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Besonders hoch war die Belastung im Gehirn – bis zu 30-mal höher als in Leber oder Niere, berichtet die Gruppe von der University of New Mexico im Fachjournal «Nature Medicine».

Die Verbindung zu Demenz: Die Forschungsgruppe kommt zu einem weiteren Befund, der hellhörig macht: So fand sie in Gehirnen von Verstorbenen, die Demenz hatten, deutlich mehr Partikel als bei denjenigen, die nicht unter der Krankheit litten. Sie werten das als Hinweis darauf, dass Mikroplastik Demenz auslösen oder begünstigen kann.

Es ist sehr schwer, den Einfluss von Mikroplastik auf die Gesundheit zu untersuchen und nachzuweisen.
Autor: Katrin Zöfel Wissenschaftsredaktorin von SRF

Das klingt alarmierend. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel mahnt aber zu Vorsicht bei der Interpretation der Resultate. Die Studie sei zwar in einem renommierten Fachmagazin erschienen und solide gemacht. Aber: «Sie wird teils scharf von Kolleginnen und Kollegen der Forschenden kritisiert», sagt Zöfel.

Die Kritik an der Studie: Diese setzt zum einen an der Auswahl der Gehirne an, die untersucht wurden: Die Auswahl der Verstorbenen, ihre Herkunft, der Vergleich zwischen den Jahren 2016 und 2023 – all das wirke zufällig, schätzt Zöfel. Zudem sei die Zahl der untersuchten Gehirne vergleichsweise klein. Und: Die Methode, mit der gemessen wurde, wie viel Plastikpartikel sich im Gewebe befinden, sei noch nicht sehr gut für diesen Zweck erprobt. Zöfels Fazit: «Diese Studie ist ein Beispiel dafür, dass es sehr schwer ist, den Einfluss von Mikroplastik auf die Gesundheit zu untersuchen und nachzuweisen.»

Plastikflasche
Legende: Mit einer chemischen Analyse bestimmte das Team auch die Zusammensetzung des Plastiks. Am häufigsten fanden sie Polyethylen, das für Folien und Flaschen verwendet wird. Getty Images/Justin Sullivan

Ein Forschungsfeld mit Tücken: Methodisch ist es äusserst anspruchsvoll, die Auswirkungen von Mikroplastik auf den menschlichen Organismus nachzuweisen. «Was ist Ursache, was Wirkung?», benennt Zöfel eine der zentralen Fragestellungen: «Hatten die vielen Mikroplastikpartikel im Gehirn der Verstorbenen mit Demenz die Krankheit ausgelöst oder waren sie nur zufällig auch da?»

«Keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung»

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Die Forschungsgruppe selbst betont, dass ihre Studie keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung nachweist: «Diese Daten sind assoziativ und belegen nicht die kausale Rolle solcher Partikel bei der gesundheitlichen Beeinträchtigung.»

Einige Unterschiede in den Gehirnproben könnten ferner auf geografische Unterschiede zurückzuführen sein, da die Proben zum einen in New Mexico und zum anderen an der Ostküste der USA entnommen wurden.

Insgesamt seien weitere längerfristige Studien mit grösseren, vielfältigeren Populationen nötig, um Trends bei der Akkumulation von Mikro- und Nanopartikeln zu ermitteln sowie deren mögliche gesundheitliche Auswirkungen – insbesondere auf das menschliche Gehirn.

Idealerweise müsste sich die Forschung auf lange Zeitreihen stützen können, erläutert die Wissenschaftsjournalistin. Konkret: Würde man die Gehirne von Menschen, die in Zeiten ohne Mikroplastik lebten, mit heutigen Befunden vergleichen, könnte man daraus belastbarere Schlüsse ziehen. Eine solche Vergleichsbasis existiert jedoch nicht. Solche langen Zeitreihen brauche es bei vielen schleichenden Effekten, erklärt Zöfel – so etwa beim Einfluss von radioaktiver Strahlung auf die Zahl der Leukämiefälle. «Heftige Effekte von starken Umweltgiften lassen sich dagegen viel einfacher nachweisen.»

Der Erkenntniswert der Studie: Wichtig seien Studien wie die aktuelle aus New Mexico aber allemal, schliesst Zöfel: «Aus immer neuen Versuchen, einer Antwort näher zu kommen, ergibt sich nämlich allmählich ein klares Bild.» Selten würde eine einzige Studie etwas beweisen, sondern erst eine Vielzahl von Untersuchungen, die ein Forschungsfeld ausleuchten. Weitere Studien könnten also klarere Ergebnisse liefern, wie sich Mikroplastik im Gehirn ansammelt – und auch darüber, ob ein Zusammenhang zu Demenz besteht. «Die Ergebnisse einer einzigen Studie kann man aber nicht als absolute Wahrheit nehmen», so Zöfel.

SRF 4 News, 11.02.2025, 6:10 Uhr ; 

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