Die Schweiz wächst: Bis 2055 dürfte die Wohnbevölkerung in der Schweiz laut Prognosen auf 10.5 Millionen Menschen anwachsen. Zustande kommen wird das in erster Linie durch Migration. Nach 9 Millionen 2024 dürfte die ständige Wohnbevölkerung demnach bis 2040 auf 10 Millionen und bis 2055 auf 10.5 Millionen ansteigen, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) in einem Referenzszenario mitteilte. Das Ausmass des Wachstums hängt indessen von der sozioökonomischen und politischen Entwicklung ab.
Das sagt Economiesuisse: Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft spricht sich wenig überraschend für die Zuwanderung aus Gründen der Nachfrage hiesiger Unternehmen aus. Chefökonom Rudolf Minsch sagt gegenüber SRF: «Es kommen immer mehr Personen ins Rentenalter und relativ weniger Junge kommen nach. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft. Es gibt also zu wenige Arbeitsstunden von Schweizerinnen und Schweizern. Hier kommen die Ausländer und füllen einen Teil dieser Lücke.» Der Wohlstand sei nur zu halten, wenn die Schweiz ein gewisses Mass an Zuwanderung zulasse.
Das sagt der Wirtschaftsprofessor: Mathias Binswanger von der Fachhochschule Nordwestschweiz gibt zu, dass die Schweizer Wirtschaft Zuwanderung brauche. Aber dies würde das demografische Problem nur kurzfristig lösen. «Längerfristig werden auch die zugewanderten Menschen älter. Das heisst, wir verschieben das Problem nur in die Zukunft.» Er macht klar, dass er die Zuwanderung nicht komplett abstellen möchte. «Die Frage ist aber, welche Zuwanderung und wie viel. Denn am Schluss sollte das Ziel sein, einen möglichst hohen Wohlstand zu erwirtschaften.» Mittlerweile sei der Nutzen immer kleiner: Dichtestress, steigende Wohnungspreise, zunehmende Zersiedelung, das seien Probleme, die er beobachte.
Ginge es auch ohne Zuwanderung? Minsch von Economiesuisse sagt, um den Mangel an Arbeitskräften aufzufangen, müssten Schweizerinnen und Schweizer ansonsten mehr arbeiten: «Wir würden weniger in die Ferien gehen, wir würden mehr Stunden pro Woche arbeiten.» Der Wohlstand schlage aber auch hier durch: «Viele bevorzugen etwas mehr Freizeit und viele Jobs werden gar nicht mehr von Schweizerinnen und Schweizern gemacht.» Ohne Zuwanderung müsste man den Gürtel enger schnallen.
Nachteile würden grösser: Lange Zeit hätten in der Schweiz die Vorteile der Zuwanderung überwogen, sagt Professor Binswanger weiter: «Jetzt merken wir, dass zunehmend die Nachteile grösser werden und auf der anderen Seite der Wohlstand der Menschen mit noch mehr Wirtschaftswachstum gar nicht mehr zunimmt.» Aus diesem Grund fordert er eine gezieltere Zuwanderung. «Diese ist nicht gottgegeben, sondern das Resultat von Bestimmungen.» Wie solche mit der EU. Und in einem demokratischen Land wie der Schweiz müsse letztlich die Bevölkerung entscheiden, wie viel Zuwanderung sie möchte.
Uneinigkeit bis zum Schluss: Dagegen hält Minsch fest, dass mit dem System der Personenfreizügigkeit nicht einfach wahllos Menschen aus Europa in die Schweiz zögen: «Sondern sie werden angefragt. Sie haben einen Arbeitsvertrag.» Entsprechend sei die Zuwanderung bedarfsgesteuert. Es sei also nicht einfach so, dass «übermässig viele Ausländer aus Europa in die Schweiz kommen würden».