Die Energiewende in der Schweiz ist und bleibt ein föderaler Flickenteppich. Grundsätzlich besteht ein breiter Konsens darüber, dass künftig mehr erneuerbarer Strom aus inländischer Produktion stammen soll. Das ist mit dem Ja zum Energiegesetz im letzten Jahr deutlich zum Ausdruck gekommen. Bei der konkreten Ausgestaltung der Energiewende zeigt sich allerdings ein differenzierteres Bild.
Eine föderale Energiewende
Mehrere aktuelle Abstimmungen illustrieren, wie föderalistisch die Energiewende in der Schweiz vonstattengeht: Im Kanton Bern lehnte das Stimmvolk am Wochenende eine progressive Solarinitiative mit deutlichem Mehr ab. Das Vorhaben sah vor, dass bis 2040 alle geeigneten Dächer und Fassaden zur Stromerzeugung genutzt werden sollten. Zudem hätte bei einer Dachsanierung neu eine Solaranlage installiert werden müssen. Anders im Kanton Wallis: Dort wurde genau eine solche Vorgabe vor wenigen Monaten von einer Mehrheit angenommen.
Windkraft mit leichtem Rückenwind
Auch bei der Windkraft zeigt sich das föderale Muster. Lange galten Windräder als kaum realisierbar in der Schweiz. Mittlerweile scheinen solche Anlagen auf breitere Akzeptanz zu stossen: Das Luzerner Stimmvolk hat Ende November ein Gesetz angenommen, damit neue Windparks schneller bewilligt werden können. Am Wochenende hat sich in Chur eine Mehrheit für ein zweites, grosses Windrad ausgesprochen und in der Zürcher Gemeinde Wetzikon will eine Mehrheit Windräder nicht a priori verunmöglichen.
Trotz Rückenwind für die Windkraft, unumstritten sind die Anlagen trotzdem nicht, wie ein aktuelles Beispiel zeigt: Im sankt-gallischen Au hat die Bevölkerung soeben ein einzelnes Windrad abgelehnt, wenn auch knapp. All diese Resultate verdeutlichen, wie stark gleiche Vorhaben oft von regionalen Gegebenheiten beeinflusst sind.
Pragmatismus ist gefragt
Die SVP ist – oft zusammen mit der FDP – die treibende Kraft hinter dem Widerstand gegen die Energiewende: Die SVP hat das nationale Energiegesetz bekämpft, die Solarinitiative im Kanton Bern und ebenso die Windräder in Chur, Wetzikon und Au. Angesichts der durchzogenen Erfolgsbilanz, muss sich die Partei die kritische Frage stellen, ob sie mit ihrer Haltung zur Energiewende nicht am Volk – und sogar ihrer eigenen Wählerschaft – vorbei politisiert. Denn die Bevölkerung ist durchaus Willens, konkrete Projekte der Energiewende mitzutragen. Eine Fundamentalopposition, wie sie die SVP betreibt, erscheint hingegen nicht als taugliches Rezept.
Auf der anderen Seite müssen sich auch die Befürworter der Energiewende grundsätzliche Fragen stellen: Wie viel Progressivität wollen sie der Bevölkerung zumuten? Aktuell stellt sich diese Frage etwa bei einer Solarinitiative der Grünen Partei, die sie auf nationaler Ebene lanciert und inhaltlich weitgehend der Berner Solarinitiative entspricht.
Der Flickenteppich als wirtschaftliche Herausforderung
Insgesamt schreitet die Energiewende in der Schweiz voran, wenn auch zaghaft und in kleinen Schritten. Zudem ist sie stark von der föderalen Ausgestaltung geprägt. Das erhöht zwar die Akzeptanz von Projekten, macht aber grosse Vorhaben – wie es sich insbesondere die Schweizer Energiekonzerne wünschen – nur punktuell möglich. Demzufolge ist die Energiewende in der Schweiz weiterhin von vergleichsweise kleinräumigen und teuren Anlagen gekennzeichnet. Gerade die finanzkräftigen Energiekonzerne werden deshalb auch künftig vor allem im Ausland in grosse Solaranlagen und Windparks investieren.