Die neusten Zahlen des Bundes vom 20. Februar bestätigen es wieder. 8 von 10 Männern in der Schweiz arbeiten Vollzeit. Unter den Frauen sind es 4 von 10.
Zwar sind die Teilzeit arbeitenden Männer ein wenig mehr geworden (18.7 statt 18.2 Prozent) und die Teilzeit arbeitenden Frauen ein wenig weniger (57.9 statt 58.6 Prozent), doch die grosse Annäherung bleibt aus.
Warum ist Teilzeit so viel selbstverständlicher bei Frauen? Und weshalb wird der Graben noch grösser, wenn Kinder ins Spiel kommen? Väter arbeiten noch seltener Teilzeit: Es ist dann nur noch etwas mehr als 1 Mann von 10. Hingegen arbeiten fast 8 von 10 Müttern Teilzeit.
«Ich glaube, dass hierfür ganz unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen, die zu diesem Struktureffekt führen, der von niemandem ganz bewusst intendiert war», sagt Bianca Prietl, Professorin für Geschlechterforschung an der Universität Basel.
Kurz gesagt sind es mindestens folgende Faktoren:
- Männer verdienen oftmals mehr, deshalb «lohnt» sich deren Arbeit mehr für ein Paar.
- Das Selbstbild des Mannes als Versorger ist immer noch stark verankert.
- Männer mit dem Wunsch nach Teilzeit-Arbeit haben geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Zu den ersten beiden Punkten kann Oliver Hunziker viel sagen. Er ist Präsident des Vereins für elterliche Verantwortung. Zudem gehört er dem Vorstand von Pro Familia an. Und er hat das erste Männerhaus der Schweiz gegründet.
In seinen Beratungen trifft er oft auf Männer mit folgendem Gedankengut: «Das Ziel des Lebens ist: Ich finde einen guten Job. Ich verdiene gut. Ich kann eine Familie ernähren.»
Und weiter: «Sobald aus einem Paar eine Familie wird, stellt sich die Frage: Wer hat welches Einkommen, basierend auf welcher Ausbildung? Dann kommt es immer noch sehr häufig vor, dass schnell klar ist, dass der Mann weiterarbeitet. Und schon ist die Familie in einem traditionellen Modell, das sich unter Umständen nicht mehr so einfach auflösen lässt.»
Wenig Teilzeit unter Männern ist auch zum Nachteil der Frauen
Dabei zeigen Befragungen, dass eine Mehrheit der Männer eigentlich weniger arbeiten will. Wenn das nicht realisiert werden könne, sagt Bianca Prietl «dann können diese Männer schlichtweg einer Vorstellung nicht gerecht werden, die sie selbst von ihrem eigenen privaten Engagement haben.»
Hinzu kommt, dass die wenige Teilzeit-Arbeit auch zum Nachteil der Frauen ist. Denn, so Prietl: «Oft sind Teilzeitjobs auch, bildlich gesprochen, berufliche Sackgassen. Sie gehen mit geringeren Möglichkeiten des Aufstiegs einher, mit geringeren Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung, sind seltener mit anspruchsvollen oder gar Führungspositionen verknüpft.»
Teilzeit suchende Männer werden seltener eingeladen
Dass Teilzeit-Arbeit mit beruflichen Nachteilen verknüpft ist, beweisen die Forschungen des Ökonomen Daniel Kopp. Er hat an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich am Beispiel des Stellenportals «Job Room» untersucht, welche Kandidaten Arbeitgeber anklicken; und auch, welche sie schliesslich zum Gespräch einladen.
Er sagt: «Die Studie zeigt, dass Leute, die eine Teilzeitstelle suchen, grössere Schwierigkeiten haben, zu einem Interview eingeladen zu werden. Das gilt grundsätzlich für beide Geschlechter, aber die Benachteiligung von Teilzeitstellen Suchenden ist besonders ausgeprägt bei Männern.» Nur halb so oft kommen laut seiner Forschungen Männer für eine Teilzeitstelle in Betracht – im Vergleich zu Frauen.
Teilzeit arbeitende Männer und Frauen leben beruflich in unterschiedlichen Welten, besonders wenn sie Eltern sind. Der 80 Prozent arbeitende Vater erhält Anerkennung für seinen «Papi-Tag», die Frau im 80-Prozent-Pensum erstaunte Blicke, dass sie «so viel» arbeitet. Dieselbe Mutter wird im Teilzeitjob ernster genommen, derselbe Vater muss sich Fragen stellen lassen, ob seine Ambitionen nicht gross genug seien. Das sind vielfach berichtete Erfahrungen bei der Recherche zu diesem Thema.
Fachkräftemangel hilft
Allerdings scheint in die Sache etwas Bewegung gekommen zu sein. Denn Daniel Kopp hat die Auswertung vor 1.5 Jahren abgeschlossen. Seitdem hat sich der Fachkräftemangel in vielen Branchen verschärft. Auf Nachfrage bestätigt Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands, dass sich Teilzeitarbeit mehr durchsetze. Es seien der «Zeitgeist und die schiere Not der Arbeitgeber», die dafür sorgten.
Auch der Stellenvermittler Adecco schreibt: «Wir vermuten, dass der Fachkräftemangel den Trend zu mehr Teilzeitstellen bekräftigt, da Unternehmen sich gezwungen sehen, mehr auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen.» Man beobachte, dass der Anteil an ausgeschriebenen Teilzeitstellen im Verlauf der Zeit kontinuierlich gestiegen sei.
Das Ideal der Vollzeitarbeit habe an Reiz eingebüsst, sagt Gender-Forscherin Bianca Prietl, und zwar bei beiden Geschlechtern. Es bestünden etwa grosse Sympathien für eine Vier-Tage-Woche.
«Eine offene Frage ist derzeit aber noch: Was würde das aus Gleichstellungsperspektive bedeuten?», fragt sie. «Würde diese frei werdende Zeit in die Übernahme von privater Sorgearbeit, sei das jetzt für Kinder oder zu pflegende Angehörige, investiert werden? Oder wäre es die Zeit, um ein besonders aufwändiges Hobby zu pflegen? Dann würde die private Sorgearbeit nicht neu verteilt werden zwischen den Geschlechtern, sondern weiterhin in grossen Teilen Frauenarbeit bleiben.»
Wie auch immer diese Frage beantwortet werden wird: Eigentlich stehen die Zeichen gut für mehr Teilzeit-Arbeit durch Männer – und dafür, dass die Geschlechter im Beruf einst gleich wahrgenommen werden.