Auto-Fabrikationsstrassen, die still stehen, rekordverdächtig lange Lieferfristen für Neufahrzeuge, ein florierender Occasionsautomarkt: Das habe sich die Autobranche selbst eingebrockt, sagt Albert Waas. Er ist Fachmann für die Autobranche beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group BCG.
Die Branche habe der Bedeutung von Chips zu wenig Beachtung geschenkt – und sei dann von der Pandemie und der damit verbundenen, grossen Nachfrage nach Elektronik, wie Computer oder Kameras für das Homeoffice überrascht worden. Waas sagt: «Bei Covid-19 haben die Autohersteller im ersten Schritt sehr viel Volumen abgemeldet. In der schnell einsetzenden Erholung nach Corona haben die Hersteller dann die Chips nicht mehr bekommen.»
Weniger Produktion trotz voller Auftragsbücher
Knapp ein Zehntel der gesamten Chip-Produktion der Welt landet im Automobilsektor. Grösste Abnehmerinnen von Chips sind Datencenter, Techkonzerne, die Computer oder Smartphones bauen, oder die Maschinenindustrie. Weil die Konjunktur schwächelt und insbesondere die PC-Verkäufe rückläufig sind, rechnen die Chips-Konzerne derzeit mit geringerer Nachfrage und reduzieren ihre Produktion. Die Autokonzerne wiederum haben volle Auftragsbücher.
Eine Chip-Produktion kann man nicht von heute auf morgen umrüsten.
Einen Teil der nicht benötigten Chips könnten sie nun zwar erben, sagt Albert Waas. Das Problem sei aber laut Albert Waas, dass Chip nicht gleich Chip ist: «Es gibt ein breites Spektrum, Mikroprozessoren für Laptops oder Chips, die in der Sensortechnik verbaut sind, beispielsweise. Eine Chip-Produktion ist immer auf eine Art Chips ausgerichtet. Das kann man auch nicht von heute auf morgen umrüsten.»
Dazu komme, dass zum Beispiel in Smartphones eher Chips der neusten Generation verbaut werden, in den Autos aber etwas ältere Modelle. Und bis Autos entwickelt sind, die die neuen Chips verwenden können, dauere es mehrere Jahre, sagt Waas.
Modernere Autos brauchen mehr Chips
Aber auch die Anzahl verbauter Chips pro Fahrzeug nehme zu, vor allem auch bei Elektroautos, rechnet Experte Albert Waas von BCG vor: «Insbesondere mit Fahrassistenzsystemen und autonomem Fahren gibt es in den Fahrzeugen deutlich mehr Sensorik. Das treibt den Bedarf an Chips stark hoch.»
Bis etwa Mitte der Dekade sehen wir ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.
Sein Fazit lautet: Bis 2025 bleiben Chips für Autos knapp. Dies, weil der Vorlauf sehr lange sei: «Bis etwa Mitte der Dekade sehen wir ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.» Der Automarkt bleibe zudem volatil, gerade auch, weil dieser stark auf konjunkturelle Schwankungen reagiere.
Die Autoindustrie hat dazugelernt
Doch Waas ist auch überzeugt davon, dass die Autobranche aus den Versäumnissen der vergangenen Jahre gelernt habe. Künftig dürfte sie enger mit der Halbleiter- und Chipindustrie zusammenarbeiten. Man werde auch vermehrt grosse Autozulieferer sehen, die selber in die Chips-Produktion einsteigen.
«Am Ende des Tages wird der differenzierende Faktor im Auto viel weniger aus der Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit kommen und viel stärker aus der Software», sagt Waas. Heisst: Statt Motorenleistung steht künftig die Sicherheit und das Infotainment-Angebot mit Bildschirmen, Navigationshilfen oder Verknüpfungen mit dem Smartphone im Fokus.