Inside Paradeplatz ist ein Finanzblog, der für Enthüllungsjournalismus im Schweizer Finanzplatz steht. Der Blog ist bekannt dafür, einen angriffigen Tonfall zu wählen. Die Credit Suisse will sich die Kritik von Inside Paradeplatz offenbar nicht länger gefallen lassen. Sie hat eine Klage gegen das Onlineportal eingereicht. Manuel Bertschi, Anwalt für Medien- und Kommunikationsrecht, ordnet diesen Schritt ein.
SRF News: Was halten Sie von der Klage der Credit Suisse?
Manuel Bertschi: Mir liegt die Klage nicht vor und deshalb wäre es unseriös, eine materielle Einschätzung abzugeben. Aber ich habe die Berichterstattung zur Klage verfolgt. Die CS will damit ihre Reputation stärken, sich für die Mitarbeitenden einsetzen und das Vertrauen zurückgewinnen.
Die CS argumentiert, die Führungsequipe sei der Lächerlichkeit preisgegeben, mit Beleidigungen überzogen und blossgestellt worden, sowohl in den Artikeln als auch in den Kommentaren. Wann wird die Medienfreiheit überspannt?
Ich kann diese Frage nur allgemein beantworten. Nicht jede Klage gegen ein Medienunternehmen ist sofort ein Angriff auf die Medienfreiheit. Die Medienfreiheit ist ein hohes und schützenswertes Gut.
Medienfreiheit zwar ein Grundrecht, aber dieses Grundrecht ist einschränkbar.
Aber sie gilt nicht absolut. Medienfreiheit zwar ein Grundrecht, aber dieses Grundrecht ist einschränkbar, und zwar immer dann, wenn auch entgegenstehende Interessen bestehen und die überwiegen. Im Fall der Credit Suisse ist dies offenbar Thema.
Auf der einen Seite steht die Medienfreiheit, aber auf der anderen Seite besteht der Anspruch auf Persönlichkeitsschutz, auf das Lauterkeitsrecht. Insofern ist das Grundrecht der Medienfreiheit immer abzuwägen mit den entgegenstehenden Interessen. Wenn zum Beispiel mediale Inhalte unrichtig sind, unnötig, herablassend oder irreführend, dann ist die Medienfreiheit eben überspannt. Und zwar dann, wenn diese medialen Äusserungen ein gewisses Gewicht annehmen, das eben nicht mehr zu ertragen ist.
Die Grossbank fordert neben der Löschung der beanstandeten Passagen auch die Herausgabe des Gewinns, den Inside Paradeplatz mit den Berichten erzielt hat. Hat eine solche Klage Chancen?
Die Gewinnherausgabe und der Anspruch daraus ist ein gesetzlicher Anspruch. Aber es ist ein komplexer Anspruch, weil erstens muss man einen Gewinn berechnen können, obschon man die Unterlagen nicht hat. Und zum Zweiten muss man dann aufgrund dieser Unterlagen einen Gewinn berechnen, obschon man gar nicht weiss, wie sich dieser Gewinn zusammensetzen wird.
Die Gewinnherausgabe und der Anspruch daraus ist ein gesetzlicher Anspruch.
Aus meiner Sicht scheint es immer dann sinnvoll, diesen Anspruch geltend zu machen, wenn ein krasser Verstoss zum Beispiel gegen den Persönlichkeitsschutz vorliegt oder wenn der Umfang der Artikel so unerträglich ist, dass man sich dagegen wehren muss. Mir scheint die Konstellation, in der sich die Credit Suisse befindet, richtig, um diesen Anspruch ins Feld zu führen.
Es kommt immer wieder vor, dass Medien oder NGOs mit Klagen eingedeckt werden. Beobachten Sie eine Zunahme solcher Klagen?
Sie sprechen die sogenannte Slapp-Thematik an. Aus meiner Sicht hat der Credit-Suisse-Fall mit dieser Thematik nichts zu tun. Denn sogenannte Slapp-Klagen müssen missbräuchlich sein, ungerechtfertigt sein. Grundsätzlich gibt es Stimmen, die sagen, dass missbräuchlichen Klagen gegen Medienunternehmen oder gegen NGOs zunehmen. Ich kann diese Aussage nicht unterstützen, weil mir die Empirie fehlt. Aber ich sehe die Problematik, wenn Goliath gegen David klagt.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.