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Drohendes Verbot in den USA «Hat einen Platz in meinem Herzen» – rettet Trump Tiktok?

Tiktok droht das Aus in den USA. Die Hoffnungen der chinesischen Betreiber liegen auf dem Obersten Gericht – und Donald Trump.

Handelsstreit, Taiwan, das Südchinesische Meer: Seit Jahren brodelt es zwischen Washington und Peking. Allerdings auf einer Flughöhe ausserhalb des Radars der breiten Bevölkerung. Ganz anders liegt der Fall aber diesmal: Der US-Kongress hat im April ein Gesetz verabschiedet, wonach die Social-Media-Plattform bis am 19. Januar den Besitzer wechseln muss – ansonsten soll sie aus den App-Stores in den USA verbannt werden und Zugang zu Infrastruktur verlieren.

Abermillionen Teenager und junge Erwachsene fiebern mit, wie es mit der Plattform weitergeht. Denn bei ihnen ist Tiktok eines der beliebtesten sozialen Netzwerke.

Vor dem US-Kongress gab es im Frühjahr Proteste gegen das Gesetz.
Legende: Bisher weigerte sich Tiktok, einen Eigentümerwechsel überhaupt zu erwägen. Die App hat nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzerinnen und Nutzer in den USA. Keystone/AP/J. SCOTT APPLEWHITE

US-Abgeordnete sowohl der demokratischen als auch der republikanischen Partei betrachten die App als Risiko für die nationale Sicherheit, weil die Regierung in China das Unternehmen zwingen könnte, Userdaten herauszugeben.

Der chinesische Mutterkonzern von Tiktok wehrt sich nun vor dem Supreme Court gegen das Gesetz. Bytedance will per Eilantrag zunächst einen Aufschub der Deadline erreichen. Der Konzern argumentiert, dass das Gesetz gegen die in der amerikanischen Verfassung verankerte Redefreiheit verstosse.

Trump lässt Tiktok hoffen

Die Hoffnungen der Betreiberfirma liegen allerdings nicht nur auf dem Obersten Gericht, sondern auch auf dem designierten US-Präsidenten Donald Trump. Am 20. Januar wird er in Washington vereidigt – just einen Tag nach dem verordneten Verkaufstermin. Ein Aufschub könnte die Karten neu mischen.

Brüssel prüft Einfluss von Tiktok auf Wahlen

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Die Europäische Kommission hat im Zusammenhang mit der inzwischen annullierten Präsidentenwahl in Rumänien ein Verfahren gegen Tiktok eröffnet. Es soll geprüft werden, ob der chinesische Konzern bei Wahlen genug gegen die Einmischung von ausländischen Akteuren vorgeht, wie die Kommission in Brüssel mitteilte.

Konkret will sich die Brüsseler Behörde unter anderem Tiktoks Empfehlungssysteme anschauen, also den Algorithmus der Plattform. Dabei soll es um koordinierte, nicht authentische Manipulation sowie die automatisierte Nutzung des Dienstes gehen. Ausserdem steht im Fokus, wie mit politischer Werbung und bezahlten politischen Inhalten umgegangen werden kann.

In seiner ersten Amtszeit war Trump zwar selbst vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, einen Verkauf von Tiktok zu erreichen. Im Wahlkampf sprach er sich aber gegen ein Verbot der Plattform aus. Am Montag sagte Trump, Tiktok habe einen «Platz in seinem Herzen».

Trump kann das Gesetz nicht selbst ausser Kraft setzen. Allerdings würde es dem Justizministerium seiner neuen Regierung zufallen, die Ausführung des Gesetzes zu überwachen. Den Sendern CNN und NBC zufolge wollte sich Trump mit Tiktok-Chef Shou Zi Chew treffen.

Tiktok als wichtiges Wahlkampfvehikel

Einer der Gründe, warum Trump seine Meinung geändert hat, dürfte sein, dass die Inhalte seiner «Make America Great Again»-Bewegung auf der App gut performen. In seinem jüngsten Statement erklärte Trump sein «Herz für Tiktok» damit, dass ihn viele junge Menschen gewählt hätten.

«Es gibt Leute wie (der Podcaster) Joe Rogan oder mein Sohn Barron, die sagen, dass Tiktok etwas damit zu tun hat.» Die Republikaner hätten sich schon immer schwer damit getan, die junge Generation zu erreichen – das habe sich nun geändert.

Anhänger blicken auf Poster mit Trump
Legende: «Wenn ihr mich wählt, werde ich Tiktok retten», versprach Trump im Wahlkampf. In seinem Eilantrag an den Supreme Court zieht Tiktok auch diese Aussage heran, um gegen das Gesetz anzukämpfen. Getty Images/Kevin Dietsch

Sowohl für den Republikaner als auch für seine Gegenkandidatin Kamala Harris von den Demokraten war Tiktok wichtig als Plattform, auf der man junge Wählerinnen und Wähler erreichen konnte. Zwar stimmte mehr als die Hälfte der jüngsten Wählergruppe bei den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November für Harris. Allerdings konnte Trump im Vergleich zu den Wahlen 2020 deutlich zulegen – ein Trend, der sich auch in anderen Wählergruppen zeigte.

Geht Tiktok an einen US-Techgiganten?

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Die Video-App verkauft jährlich mehrere Milliarden Dollar Werbung und ist entsprechend viel wert. Wer auch immer Tiktok kauft, müsse vor allem zahlungskräftig sein, sagt denn auch Wirtschaftsredaktorin Nora Meuli: «Darum kommen grundsätzlich grosse Finanzinvestoren infrage oder aber Technologiekonzerne wie Meta, Microsoft oder Alphabet, also der Konzern, der Google betreibt.»

Wie man den US-Teil von Tiktok genau kaufen kann, ist aber noch unklar. Denn das ist gar nicht so einfach. «Bytedance wird nie den Algorithmus verkaufen», so Meuli weiter. «Und das dürfen sie auch gar nicht, weil das die chinesische Regierung verbietet.» Der Algorithmus würde unter die Technologien fallen, die für den Export eine staatliche Genehmigung notwendig machen.

Der Algorithmus legt zum Beispiel fest, wie den Nutzerinnen und Nutzern neue Clips vorgeschlagen werden. Ohne ihn stellt sich die Frage, wie man Tiktok überhaupt betreibt. «Das wäre dann quasi ein Kauf ohne das Geschäftsgeheimnis», schliesst Meuli.

SRF 4 News, 17.12.2024, 6:50 Uhr ; 

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