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Enorme Bandbreite Kantonaler Flickenteppich bei der Erbschaftssteuer

In der Schweiz werden jährlich über 90 Milliarden Franken vererbt, die je nach Wohnort gar nicht oder unterschiedlich hoch besteuert werden. Dies führt zu einer zunehmenden Vermögensungleichheit. Seit vergangenem Jahr liegt eine Initiative vor, die dieser Entwicklung entgegenwirken will.

Ein unübersichtlicher Flickenteppich: Bei keiner Steuer sind die kantonalen Unterschied so markant wie in der Erbschaftssteuer. Während in den Kantonen Schwyz und Obwalden alle Erben von einer Erbschaftssteuer befreit sind, bezahlen beispielsweise in Luzern und Neuenburg sogar die eigenen Kinder des Erblassers. Im Kanton Basel-Stadt beträgt die maximale Steuer für nicht-verwandte Erben sogar fast 50 Prozent.

Juso Schweiz will Steuer für Superreiche: Seit vergangenem Jahr liegt beim Bund eine neue Volksinitiative auf dem Tisch. Die Juso Schweiz fordert in der «Initiative für eine Zukunft» auf nationaler Ebene eine 50-Prozent-Besteuerung auf Erbschaften von über 50 Millionen Franken. Die Steuereinnahmen sollen dem Klimaschutz zugutekommen. Ziel sei es, die zunehmende Vermögensungleichheit zu schmälern und Superreiche nach Verursacherprinzip in ihrem ökologischen Fussabdruck korrekt zu besteuern. Dies entspreche dann einem sozial gerechten Klimaschutz, sagt Mirjam Hostetmann, Präsidentin der Juso Schweiz.

Kantonaler Steuerwettbewerb

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Die erheblichen Unterschiede in der Ausgestaltung und der Entwicklung der Erbschaftssteuer lassen sich auf den kantonalen Steuerwettbewerb zurückführen. Marius Brülhart, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Lausanne, sagt, dass die Höhe der Vermögenssteuer mehr oder weniger stabil geblieben sei. Doch die Kantone hätten die Erbschaftssteuer in den vergangenen Jahrzehnten speziell für direkte Nachkommen massiv gesenkt oder ganz abgeschafft: «Während in den 1990er-Jahren auf einen Erbfranken noch 4.1 Rappen Erbschaftssteuer anfielen, waren es 2019 1.4 Rappen.»

Wer wäre von der Initiative betroffen? In der Schweiz befinden sich rund 2500 Haushalte mit einem Vermögen von über 50 Millionen Franken. Davon besitzen 300 Haushalte ein Vermögen von über 100 Millionen Franken und wären von der vorgesehenen Steuer im hohen Ausmass betroffen. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Klein- und Mittelunternehmen wären aufgrund des Freibetrags von 50 Millionen Franken wohl nicht von der Erbschaftssteuer tangiert.

Welche Folgen wären zu erwarten? Marius Brülhart, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Lausanne, geht davon aus, dass Superreiche aus der Schweiz abwandern würden, sollte die Initiative angenommen werden. Unter dem Strich gäbe das dem Bund und den Kantonen nicht zwingend mehr positive Steuereinnahmen. Durch deren Wegzug würde ein wichtiges Steuersubstrat fehlen. Spekuliert wird auch darüber, ob bei Annahme der Initiative die Kantone ihre Einkommens- und Vermögenssteuer erhöhen müssen, um die entstandene Lücke bei den Steuereinnahmen zu füllen. Dies würde wiederum dann alle Steuerzahler betreffen.

Wie vererbt die Schweiz?

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Der Professor für Volkswirtschaftslehre, Marius Brühlhart, hat zusammen mit der Ökonomin Laia Solér 17'000 anonymisierte Online-Testamente ausgewertet. Die Daten stammen vom Schweizer Anbieter «Dein Adieu». Ursprünglich gegründet, um Nachlassspenden für wohltätige Organisationen zu generieren, bietet die Stiftung auch einen Testamentsdienst für Privatpersonen an. Dieser gilt als etabliert und wird etwa von Pro Senectute empfohlen.

Erste Erkenntnisse der Auswertung: Seit der Erbrechtsrevision 2023 wird die neue Testierfreiheit genutzt. Von höheren Erbanteilen profitieren dadurch vor allem Ehe- und Lebenspartner sowie NGOs. Zudem würden Frauen und kinderlose Personen eine höhere Bereitschaft zeigen, NGOs in ihre Nachlassplanung mit einzubeziehen.

Gibt es Alternativen? Sollte die Initiative abgelehnt werden, bleibt die Frage, wie sich die steigende Vermögensungleichheit in der Schweiz trotzdem etwas abdämpfen liesse? Denkbar wäre ein ausgewogener Mix zwischen Vermögens- und Erbschaftssteuer. Florian Scheuer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich, dessen Lehrstuhl von der UBS finanziert wird, sieht die Alternative in einem deutlich niedrigeren Steuersatz von beispielsweise 10 Prozent statt den 50 Prozent, wie sie die Initiative fordert. Und: Eine Revision der Erbschaftssteuer sei wichtig, denn diese trage zur Chancengleichheit bei: «In welche Familie wir geboren werden, ist das grösste Risiko, was wir im Leben haben. Und es ist auch nichts, was wir verdient haben», sagt Florian Scheuer.

10vor10, 6.2.2025, 21:50 Uhr;stal

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