Die Swiss-Flieger waren während der Coronakrise wochenlang am Boden, es gab nur noch einzelne statt über hundert Destinationen – Millionenverluste jeden Tag. Doch der Staat hilft, und langsam wird der Betrieb wieder hochgefahren.
Auch für Swiss-Kunden waren die letzten Monate schwierig. Wer einen abgesagten Flug zurückerstatten lassen wollte, suchte das entsprechende Formular vergebens. Beschwerden frustrierter Kunden häuften sich. Swiss-Chef Thomas Klühr entschuldigt sich im 10vor10-Interview.
SRF News: Auf der Internetseite der Swiss steht immer noch, dass Sie über 100 Destinationen bedienen und 9500 Mitarbeiter haben. Wie sehen diese Zahlen in einem Jahr aus?
Thomas Klühr: Bis dann werden wir nicht zu diesen Zahlen zurückkehren. Was die Anzahl der Destinationen betrifft, werden wir schätzungsweise 85 Prozent der Ziele wieder anfliegen können – jedoch mit weniger Flügen. Auch werden wir in einem Jahr weniger Stellen haben. Allerdings nur, weil wir einen Einstellungsstopp verhängt haben und die natürliche Fluktuation nutzen. Ich denke, dass wir die Mannschaft an Bord halten können. Dabei hilft die Kurzarbeit, die wir bis Ende Februar 2021 nutzen werden.
Kritisch aus Schweizer Sicht könnte sein, dass die Entscheide vor allem am Lufthansa-Hauptsitz in Frankfurt getroffen werden. Zudem ist der deutsche Staat seit kurzem der grösste Aktionär. Haben Schweizer Jobs überhaupt Priorität?
Was die Schweizer Jobs angeht, werden die Entscheidungen hier getroffen – beispielsweise auch, wie viel Kurzarbeit wir machen. Natürlich stimmen wir uns mit Frankfurt ab, denn der Eigentümer sitzt dort. Aber die Kompetenz für solche Entscheide liegt bei uns.
Was die Schweizer Jobs angeht, werden die Entscheidungen hier getroffen – beispielsweise auch, wie viel Kurzarbeit wir machen.
Welche Priorität haben denn Schweizer Kunden? Von den Rückerstattungen her hat die Swiss kein vorbildliches Bild abgegeben. Sind Sie zufrieden mit dem Job, den die Swiss da gemacht hat?
Wir haben in den letzten Wochen sicherlich nicht die Dienstleistungsqualität geleistet, die unsere Kunden gewohnt sind. Dafür entschuldige ich mich. Ich glaube aber, dass wir uns im Vergleich zu anderen Wettbewerbern gut schlagen – auch wenn wir wegen der speziellen Situation nicht die gewohnte Qualität erbringen konnten.
Die Kunden erwarten das von einer sogenannten Premium-Airline. Da passt der mangelnde Service bei der Rückerstattung nicht. Dazu kommt der Preiskampf nach unten. Ist das die Zukunft der Schweizer Luftfahrt?
Nein, das ist sicherlich nicht die Zukunft. Wir sind und bleiben die Premium-Airline der Schweiz. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten den Erwartungen unserer Kunden gerecht werden. Das war eine schwierige Phase für uns. Klar ist jedoch: Wenn alle Airlines den Betrieb hochfahren, gibt es aggressive Preis-Angebote. Darauf müssen wir teilweise reagieren. Ich bin aber sicher, dass die Preise mittel- und längerfristig steigen werden.
In Anbetracht der Klimathematik ist es fraglich, ob die Leute überhaupt nach Paris, Berlin oder Mailand fliegen sollten. Das sind alles Destinationen, die Sie bedienen. Werden solche Kurzstreckenflüge zukünftig überhaupt noch nachgefragt?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich das Kundenverhalten ändert. Es gibt sicherlich Destinationen, bei denen wir mittelfristig damit rechnen müssen, dass einige Leute auf den Zug umsteigen. Dazu kommen die Erfahrungen hinsichtlich digitaler Meetings, die jetzt alle in der Coronakrise gemacht haben. Trotzdem bin ich mir sicher, dass der Wunsch und die Notwendigkeit zu reisen, bleiben wird.
Das Gespräch führte Arthur Honegger.