Davos, die Lenk oder die Gemeinde Obergoms haben jüngst Ja gesagt zum Stromgesetz. Diese Gemeinden haben auch Ja gesagt zu einer grossen alpinen Solaranlage auf ihrem Gemeindegebiet – so wie 20 andere Gemeinden auch.
Das zeigt: «Ein wesentlicher Teil der Bevölkerung ist der Meinung, dass diese Energietransition vorangetragen werden soll», sagt Isabelle Stadelmann. Sie ist Professorin an der Universität Bern und forscht zur Akzeptanz von erneuerbaren Energieprojekten.
Stromgesetz ja, alpine Solaranlagen nein
Die Bevölkerung bietet also Hand für neue Energievorhaben. Allerdings ist das nur ein Teil des Bildes. In Saanen im Berner Oberland, in Ilanz im Kanton Graubünden oder in Varen im Kanton Wallis haben die Stimmberechtigten auch Ja gesagt zum Stromgesetz.
Aber dieselben Stimmberechtigten haben alpine Solaranlagen abgelehnt. Insgesamt ist das in rund einem Dutzend Gemeinden der Fall.
Diesen Widerspruch erklärt sich die Politologin Stadelmann so: «Es sind zwei unterschiedliche Dinge, ob man einem Gesetz zustimmt, das zwar konkrete Massnahmen beinhaltet, aber nicht ein Projekt in der eigenen Gemeinde betrifft. Oder ob man über ein konkretes Vorhaben am eigenen Wohnort entscheiden muss.»
Lokal spielt die konkrete Ausgestaltung des Projekts eine wesentliche Rolle, ob man einem Vorhaben zustimmt oder es ablehnt. «Es gibt so etwas wie eine qualitative Opposition», sagt Stadelmann.
Jemand könne also für diese Anlagen sein, auch in der eigenen Gemeinde. Aber dieselbe Person könne am konkreten Projekt Kritik üben und es nicht unterstützen. Dieses Muster kommt auch bei den Abstimmungen über alpine Solaranlagen zum Vorschein.
Lokale Unterstützung kann für den Ausgang entscheidend sein
Was heisst das nun für all die Windparks, Wasserkraftwerke und Solaranlagen, die im Rahmen des Stromgesetzes in den kommenden Jahren geplant werden? Für die lokale Bevölkerung komme es immer sehr stark auf das einzelne Projekt an, so Stadelmann. «Wo steht das genau? Wie gross ist es? Wie teuer ist es?»
Und es gebe eine Reihe anderer Faktoren. So hätten Studien gezeigt, dass die lokale Unterstützung wichtig sei, also «Personen in der Gemeinde, die vorne hinstehen und sagen ‹Das ist ein wichtiges Projekt›. Wenn zum Beispiel der Gemeinderat nicht hinter einem Projekt steht, wird es meistens schwierig.»
Hinzu kommt: Solarprojekte sind nicht einfach ein Selbstläufer, auch wenn Strom aus der Sonne bei der Bevölkerung viel Sympathie geniesst. Auf Dächern sind Solaranlagen unbestritten. Bei grossen frei stehenden Solaranlagen sehe es hingegen anders aus, weiss die Professorin.
«Freiflächen-Photovoltaik hat etwa ähnliche Zustimmungsraten wie Wind-, Kleinwasserkraft- oder Nuklearenergie. Über diese Energiequellen ist die Bevölkerung gespalten», so Stadelmann. Folglich muss ein Projekt besonders überzeugend sein, damit es Zuspruch erfährt.
Es braucht Fingerspitzengefühl
Das Beispiel der alpinen Solaranlagen zeigt, dass die Bevölkerung durchaus neue Energievorhaben akzeptiert. Allerdings sind die Details und die konkrete Ausgestaltung entscheidend.
Die Energieunternehmen werden viel Fingerspitzengefühl beweisen müssen, wenn ihre Projekte bei der lokalen Bevölkerung eine Chance haben sollen.