Der Grundsatz ist klar: Für jene, die nicht selber dafür aufkommen können, übernimmt der Sozialstaat die Kosten fürs Wohnen, die Gesundheit und zahlt einen Betrag für Alltagsausgaben, den sogenannten Grundbedarf. Damit bezahlen also zum Beispiel Sozialhilfebeziehende ihr Essen, Kleider, den Kaffee mit Freunden oder das Busbillett.
In der Sozialhilfe sind das für Alleinstehende aktuell rund 1000 Franken pro Monat. Das ist zwar das wichtigste Existenzminimum, aber längst nicht das einzige. Es gibt eine ganze Reihe solcher Definitionen, wie viel ein Haushalt zum Leben braucht.
Weniger für Asylsuchende, mehr für ältere Menschen
Der tiefste Ansatz findet sich in der Asylsozialhilfe. Dieser Grundbedarf soll laut Gesetz unter dem Ansatz der Sozialhilfe liegen. Teilweise erhalten vorläufig Aufgenommene oder Asylsuchende weniger als 400 Franken pro Monat. Den höchsten Betrag bekommen ältere Menschen und Menschen mit Behinderung: Sie erhalten über die Ergänzungsleistungen zur AHV und zur IV rund 1700 Franken pro Monat als Grundbedarf.
Thomas Gächter ist Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich. Er sagt: «Es sind unterschiedliche Systeme, die sich historisch unterschiedlich entwickelt haben.»
Während die Ergänzungsleistungen den Anspruch in einer Sozialversicherung wie der AHV oder der Invalidenversicherung ergänzten, habe die Sozialhilfe ein ganz anderes Ziel. Sie solle die soziale Existenz sichern, verbunden mit der Pflicht, sich so weit wie möglich selbst zu finanzieren. Und bei vorläufig Aufgenommenen gehe man davon aus, dass sie die Schweiz wieder verlassen würden, und investiere darum entsprechend nicht in deren Integration.
Asylsozialhilfe oder Ergänzungsleistungen – das sind unterschiedliche Gesetze und verschiedene Geldtöpfe. Trotzdem stellt sich die Frage: Braucht ein älterer Mensch mehr Geld zum Leben als ein Asylsuchender? Objektiv betrachtet nicht, sagt Sozialpolitikforscher Yann Bochsler von der FHNW. Denn ein Brot und ein Kaffee kostet für alle gleich viel. Aber entscheidend sei etwas anderes:
«Es geht um die Frage: Wer verdient welche Art der Solidarität und Unterstützung? Wir sind im Kontext der Arbeitsgesellschaft: Da wird von jeder Person zwischen 15 und 65 Jahren erwartet, dass sie eine Ausbildung macht, um danach erwerbstätig zu sein.« Mit dem Ziel, dass die Person eigenverantwortlich ihren Lebensunterhalt bestreite. Wer diese Erwartung nicht erfülle, bekomme weniger.
Existenzminimum wird immer wieder neu verhandelt
Welche Rolle die Politik spielt, zeigt auch ein Blick zurück. Als die Ergänzungsleistungen vor fast 60 Jahren eingeführt worden sind, haben sie sich an den Beiträgen der Sozialhilfe orientiert. Doch während die Ergänzungsleistungen immer wieder erhöht wurden, geschah in der Sozialhilfe teilweise das Gegenteil. Wer wie viel zum Leben braucht, wird in der Sozialpolitik also laufend neu verhandelt.