Beyond Gravity gibt in der Schweiz den Ton an: Die Raumfahrt boomt. Er kenne kein anderes Industriesegment, das so dynamisch wachse, sagte der Chef von Beyond Gravity, der Raumfahrttochter von Ruag International, kürzlich im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Die Rede ist von 15 bis 20 Prozent Wachstum pro Jahr. Die Impulse kommen – global gesehen – hauptsächlich aus den USA. Namentlich von SpaceX, der privaten Raumfahrtfirma des US-Milliardärs Elon Musk. Platzhirsch in der Schweiz ist dagegen die staatlich kontrollierte Beyond Gravity, ehemals Ruag Space.
Was Beyond Gravity besonders macht: Bekannt ist das Unternehmen für seine Satellitentechnologie und vor allem für den Bau der Raketenspitze von Trägerraketen wie der europäischen Ariane 6. Weiter expandieren soll die Firma nun – nach dem Willen der Schweizer Regierung – als privates Unternehmen. Die Privatisierung ist zwar umstritten. Aber niemand zweifelt am Wachstumspotenzial der Branche. Gründe dafür gibt es zuhauf, wie eine neue Studie der Bank Raiffeisen aufzeigt.
Die Nachfrage ist gross: So werden weltweit immer mehr Satelliten benötigt für die mobile Internetabdeckung und für Navigationssysteme. Auch die Landwirtschaft nutzt zunehmend Daten aus dem Orbit, um beispielsweise Agrarflächen zu erkennen, die von Schädlingen befallen sind. Versicherungskonzerne verwenden Satellitendaten, um nach Naturkatastrophen die Schäden besser abschätzen zu können. Und in der Forschung liefern Bilder aus dem Weltraum Informationen zum Klimawandel.
Die Kosten sinken: Führend in der kommerziellen Raumfahrt ist heute der US-Konzern SpaceX des Milliardärs und Tesla-Chefs Elon Musk. Mit seinen – grossenteils – wieder verwendbaren Trägerraketen konnte das Unternehmen die Kosten für den Transport pro Kilogramm Fracht auf einen Bruchteil des früheren Preises senken.
Die Schweiz hat viel Know-how in der Raumfahrt: Robotik, künstliche Intelligenz, 3D-Druck – all dies sind Gebiete, in denen sich Schweizer Forschung und Schweizer Firmen seit Jahren etabliert haben. Diese Technologien sind wichtig für die Weiterentwicklung der Raumfahrt. So macht beispielsweise der 3D-Druck die Teile für Raketen und Satelliten deutlich leichter. Auch in der Weltraumforschung ist das Land – gemessen an seiner Grösse – sehr präsent.
Die Schweiz ist seit Langem stark im Weltraum aktiv: Schon bei der ersten bemannten Mondmission 1969 war ein Experiment der Universität Bern mit dabei. Seither haben sich – zusätzlich zur Uni Bern – Hochschulen wie die ETH in Zürich und die EPFL in Lausanne zu Zentren der Weltraumforschung entwickelt. Es gibt Dutzende von Start-up-Firmen, die in diesem Umfeld entstanden sind. Die Studie zur Raumfahrtindustrie Schweiz von Raiffeisen schätzt, dass heute im Raumfahrtsektor bei etwa 130 Firmen – allein am Standort Schweiz – zusammengerechnet rund 1000 Mitarbeitende arbeiten. Hinzu kämen weitere 2000 Beschäftigte in den hiesigen Zulieferindustrien.
Der Boom im All hat auch eine Kehrseite: Je mehr Raketen und Satelliten in den Weltraum gelangen, desto grösser wird das Problem des Weltraummülls. Die Erdumlaufbahn ist bereits ziemlich voll davon. Es gibt Bestrebungen, im Orbit aufzuräumen. Mit dabei ist beispielsweise die Schweizer Firma Clearspace. Sie soll helfen, ausgediente Satelliten aus dem Erdorbit zu entfernen. Insofern bringt auch die Entsorgung des Weltraummülls neue Geschäftschancen mit sich.