SBB-Chef Vincent Ducrot nimmt Stellung zum schlechten Halbjahresergebnis und den fehlenden Lokführern. Und er rechnet damit, dass Corona die Nutzung des öffentlichen Verkehrs verändern wird.
SRF News: Sie mussten heute bekannt geben, dass Sie im ersten Halbjahr fast eine halbe Milliarde verloren haben wegen Corona. Unterdessen steigen die Passagierzahlen wieder. Und das Parlament hat heute entschieden, der SBB zu helfen. Ist vielleicht alles gar nicht so schlimm?
Vincent Ducrot: Doch, es bleibt sehr ernst. Wir haben allein im Fernverkehr 250 Millionen Franken verloren. Und diesen Verlust müssen wir selber tragen. Wir wollen und müssen weiter investieren. Um den Verlust wettzumachen, müssen wir bei unseren operativen Kosten ansetzen. Und natürlich erhoffen wir uns auch, dass wir in den nächsten Jahren wieder Gewinne machen.
Wir müssen jeden Franken dreimal drehen, bevor man ihn ausgibt, und dann kommt es schon gut.
Wie wollen Sie das schaffen?
Wie jede normale Unternehmung, also jeden Franken dreimal drehen, bevor man ihn ausgibt, und dann kommt es schon gut. Das machen alle Unternehmen zurzeit. Da haben wir keine Wahl.
Neben der Coronakrise gibt es noch ein zusätzliches Problem. Sie haben zu wenig Lokführer, 200 Züge sind gestrichen worden seit Sonntag. Das kann man eigentlich gar nicht glauben.
Ja, das ist eine sehr unschöne Situation, ich schäme mich, dass es so weit kommen musste. Unsere Ausbildungsklassen für Lokführer hätten im Sommer fertig sein sollen. Und jetzt wegen Corona können wir die Ausbildung erst im Herbst beenden. Wir hatten zu wenig Leute eingeplant, und beides führt zu einer sehr unschönen Situation.
Die Leute werden etwas weniger pendeln, dafür noch mehr in der Freizeit reisen.
Sie sagten heute, die Mobilität werde sich wegen Corona verändern. Wie?
Ich glaube, Homeoffice wird noch mehr an Bedeutung gewinnen. Die Arbeitswelt wird diesbezüglich flexibler. Genaue Prognosen sind schwierig. Aber die Leute werden etwas weniger pendeln, dafür noch mehr in der Freizeit reisen. Wahrscheinlich werden die Züge zu den Stosszeiten weniger voll sein. Um das zu kompensieren, erhoffen wir uns, dass es dafür an Samstagen und Sonntagen besser ausgelastet sein wird.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.