Die SBB muss derzeit hartes Brot essen. Doch das Bahnunternehmen hat selbst einen erheblichen Anteil daran, dass es sich in dieser Situation wiederfindet: Beispielhaft sind die fehlenden Lokführer und die Züge, die deswegen ausfallen. Wenn sich der neue SBB-Chef Vincent Ducrot mit den Worten «ich schäme mich» entschuldigen muss, ist in der Vergangenheit offensichtlich ein grösserer Fehler passiert. Das wiederum wirft kein sonderlich gutes Licht auf seinen Vorgänger, auf Andreas Meyer.
Das finanzielle Minus ist für die SBB verkraftbar
Vincent Ducrot wurde nicht zuletzt deswegen zum Chef befördert, weil er die SBB stabilisieren sollte: Gefragt ist eine sichere und zuverlässige Eisenbahn für die Schweiz. Tönt nicht aufregend, ist aber eine grosse Herausforderung angesichts des stark beanspruchten Bahnnetzes. Ob Ducrot dieses Ziel erreicht, wird sich erst noch zeigen müssen. Das hängt nicht zuletzt von den anderen Baustellen im Unternehmen ab – beispielsweise dem Netzunterhalt oder dem neuen Rollmaterial.
Die schwierige Situation der SBB hat zweifelsohne ebenso mit äusseren Umständen zu tun. Wie alle anderen Unternehmen hat die Coronakrise auch das Bahnunternehmen getroffen – unverschuldet zwar, aber gleichwohl mit voller Wucht. Das grosse Minus wird die SBB finanziell verschmerzen können, weil letztlich der Bund für die Ausfälle aufkommt. Schliesslich hat der Bund als Eigentümer auch entschieden, dass die Bundesbahnen jederzeit ein Grundangebot aufrecht halten mussten; selbst dann, als kaum noch jemand mit dem Zug unterwegs war.
Mit dem Rücken zur Wand
Mit der Coronakrise kommt nun allerdings auf die SBB und ihren neuen Chef eine zusätzliche Herausforderung zu: Plötzlich steht der öffentliche Verkehr mit dem Rücken zur Wand. Das Virus treibt die Menschen in die Autos. Zudem führen die veränderten Arbeits- und Mobilitätsgewohnheiten sowie die Kommunikationstechnologien dazu, dass Reisen im bisher gekannten Ausmass fortan nicht mehr stattfindet.
Ob es lediglich eine Momentaufnahme oder eine grundlegende Entwicklung ist, lässt sich noch nicht abschliessend klären. Trotzdem tun die Bahn – und der ganze öffentliche Verkehr – gut daran, sich diesbezüglich ernsthafte Gedanken zu machen: Beispielsweise auch mit neuen Angeboten für Reisende, die Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten.
Die Eröffnung des Ceneri-Tunnels jüngst ist zweifellos ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Schweizer Bahnnetzes. Doch letztlich ist der feierliche Akt nicht viel mehr als etwas Milch, die das harte Brot im Moment geniessbarer macht.