In dieser Geschichte ist viel Musik drin. Dass der Fall erst heute verhandelt wird, scheint fast etwas zufällig. Denn die Spuren reichen weit zurück und waren schon viel früher sichtbar.
Unter dem Namen «Russian Laundromat» wurde im August 2014 vom Recherchenetzwerk OCCRP ein riesiges Geldwäscherei-System aufgedeckt. Mit Verästelungen in die Schweiz. Astronomische Summen – die Schätzungen reichen von 20 bis 80 Milliarden Dollar – wurden damit aus Russland wegbewegt.
Cellist spielt nach Putins Noten
Im Zuge der Veröffentlichungen der «Panama Papers», die zwielichtige Finanzströme Richtung Offshore-Destinationen aufdeckten, kam dann der Name Sergei Roldugin ins Spiel. Ein Cellist, Dirigent und Jugendfreund von Wladimir Putin. Ein Musiker, der erstaunlich viel Geld bewegte.
Die «Panama Papers» lösten eine Untersuchung der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma aus, die darauf eine Untersuchung bei über 30 Schweizer Banken startete – mit dabei die Gazprombank Schweiz. In ihrem Schlussbericht im Frühjahr 2018 stellte die Finma fest, «dass die Gazprombank Schweiz im Zeitraum von 2006 bis 2016 schwer gegen die Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes verstossen hatte».
Gravierende Verstösse gegen die Sorgfaltspflicht
Die Aufzählung der Unterlassungen liest sich so: inkorrekte Risikokategorisierung ihrer Geschäftsbeziehungen, Geschäftsbeziehungen und Transaktionen wurden nicht mit der notwendigen Tiefe und Sorgfalt vorgenommen, eine angemessene Dokumentation fehlte, keine Verdachtsmeldungen an die Meldestelle für Geldwäscherei.
Mit dem Abschluss des Verfahrens verbot die Finma der Bank neue Privatkunden aufzunehmen. Die Gazprombank hat ihre Geschäftstätigkeit in der Schweiz mittlerweile eingestellt.
Nun stehen der ehemalige Chef, zwei weitere Geschäftsleitungsmitglieder und ein Kundenberater vor Gericht. Sie hätten der Spur des Geldes folgen müssen. Abklären müssen, ob der virtuose Cellist wirklich der wirtschaftliche Berechtige ist und entsprechende Belege einfordern müssen. Doch das haben sie zureichend nicht getan.
Anklage in heiklem politischem Umfeld
Das Urteil im Fall hat das Gericht für den 30. März in Aussicht gestellt. Bis zum rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung für die Angeklagten.
Mit Blick auf die Komplexität des ganzen Falles fällt die Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft mit 18 Seiten erstaunlich dünn aus. Datiert ist sie auf den vergangenen November. Spät, aber gerade noch rechtzeitig – vor der Verjährungsfrist. Und fünf Jahre nachdem die Finma in ihrem Abschlussbericht bereits die Mängel bei der Bank offengelegt hatte.
Das internationale Interesse an diesem Prozess und dessen Ausgang ist gross. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat dem Fall neue Brisanz und Aktualität verpasst. Journalisten reisten aus New York, London oder München an. Die ganze Welt schaut nun zu, wie die Schweizer Justiz mit dem Fall rund um den Cello-Freund Putins umgeht.
Inwieweit dies den angekratzten Ruf der Schweiz als Drehscheibe für krumme Geschäfte und Finanzflüsse verändern wird, kann man wohl sehr bald aus der internationalen Berichterstattung über diesen Fall herauslesen.