Den Stromversorger wechseln, wie beispielsweise die Krankenkasse, das können Haushalte in der Schweiz nicht, weil der Strommarkt nicht vollständig liberalisiert ist. Ökonominnen und Ökonomen sind überzeugt, dass eine Liberalisierung grosse Vorteile hätte. In der Politik aber hat das Projekt seit Jahren einen schweren Stand.
Rund 600 Energieversorger hat die Schweiz, ganz kleine, aber auch grosse Konzerne, solche mit riesigen eigenen Kraftwerken, andere, die den Strom für ihr Einzugsgebiet ausschliesslich auf dem Markt einkaufen. Und diesen Strom können sie den kleinen und mittleren Verbrauchern – also auch den Privathaushalten – zu regulierten Preisen verkaufen. Es überrascht denn auch wenig, dass die Strompreise zwischen den Anbietern stark variieren. 2024 kostet der Strom in einer Ecke der Schweiz bis zu fünfmal mehr als in einer anderen.
Ökonom sieht Vorteile in freier Wahl
Ökonominnen und Ökonomen wie Stephan Vaterlaus vom Beratungsunternehmen Polynomics sehen in der vollständigen Liberalisierung vor allem Vorteile. Wenn alle Konsumentinnen den Anbieter frei wählen könnten, würde der Druck auf die Versorger steigen, bessere und günstigere Angebote zu machen.
Wir sollten den Markt nicht so liberalisieren wie die Deutschen.
Tendenziell würden die Preise wohl sinken, vor allem aber würden die Unterschiede zwischen den Anbietern kleiner werden. Es käme zu einer Konsolidierung auf dem Strommarkt. Die Zahl der Energieversorger würde tendenziell deutlich abnehmen. Das sehe man in den umliegenden Ländern, wo die Zahl der Energieversorger mit der Liberalisierung stark gesunken sei, meint Vaterlaus.
Politische Bedenken aus verschiedenen Richtungen
Während ökonomisch viel dafür spricht, ist die vollständige Liberalisierung des Strommarktes bisher politisch nicht mehrheitsfähig.
Uneingeschränkt für die Liberalisierung spricht sich einzig die FDP aus. Auch die SVP sei grundsätzlich dafür, erklärt Energiepolitiker Christian Imark. Er ergänzt aber zugleich: «Wir sollten den Markt nicht so liberalisieren wie die Deutschen. Das wäre nicht mehrheitsfähig.»
Der Ausbau der Erneuerbaren muss garantiert sein.
Tatsächlich sind die Strompreise in vielen europäischen Ländern im letzten Jahr teilweise noch viel stärker gestiegen als in der Schweiz. Umweltökonom Vaterlaus betont aber, das habe eigentlich nichts mit der Liberalisierung zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass zum Beispiel in Deutschland der Gaspreis einen wichtigen Einfluss auf den Strompreis hat.
Linke Bedingungen an die Liberalisierung
Die SP und auch die Grünen sind gegen eine Liberalisierung, so wie sie der Bundesrat bisher angedacht hat. Kurt Egger, Grüne-Nationalrat und ebenfalls Mitglied der Energiekommission, meint, künftig könne er sich eine komplette Liberalisierung höchstens unter Bedingungen vorstellen: «Der Ausbau der Erneuerbaren muss garantiert sein.»
Während die einen fürchten, mit der Liberalisierung kämen noch grössere Preisschocks auf die Haushalte zu als heute, sind andere nur für eine komplette Liberalisierung, wenn Regeln auf dem Markt eingeführt werden, die sicherstellen, dass in der Schweiz nur noch erneuerbarer Strom verbraucht wird.
Politisch mehrheitsfähig wäre also wohl nur eine Liberalisierung mit Einschränkungen. Ob diese dann von der EU als genügend eingeschätzt wird für den Abschluss eines Stromabkommens, wird sich zeigen müssen. Die EU überarbeitet derzeit auch das Design ihres Strommarktes.